Rudolfs Vormarsch. Seine Heeresmacht.
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Truppen gesammelt hatte, mit einem zahlreichen Heere bereits auf dem Marsche sei und bei
Preßburg die Donau überschritten habe. Auf die Kunde hiervon verließ auch er am
14. August Wien, wo er sich bis dahin aufgehalten hatte, und begab sich über Haimburg
nach Marchegg, wohin er jetzt binnen einer Woche die noch nicht erschienenen Mannschaften
aus den österreichischen Ländern berief und wo auch die Truppen aus Schwaben mit dem
Bischof von Basel zu ihm stießen. Noch ehe alle vereinigt waren, schickte Rudolf 8000 Un¬
garn und Knmanen und eine Abteilung Österreicher zur Rekognoszierung gegen Norden, um
die Stärke des Feindes zu erkunden. Rudolf muß das Resultat sehr günstig gefunden haben:
denn am 22. August entschloß er sich nach einer Beratung mit Ladislaus uuverweilt zur
Offensive. Am 23. setzte das ganze ungarische Heer über die March und vereinigte sich mit
den Truppen Rudolfs. An einem Freitage, den 26. August, früh vor sechs Uhr zog das
vereinigte Heer über die Hügel und erblickte den Feind jenseits des Weidenbaches auf dem
Marchfelde. Zwischen den Heeren war das Land teilweise mit Rohr bewachsen, einem
Sumpfe ähnlich.
König Otakar hatte fein Heer in sechs Hausen und eine Nachhut geteilt. Der erste
bestand aus dem größten Teil der Böhmen, die Mährer und Böhmen von Pilsen bildeten
den zweiten, Meißener und Thüringer den dritten, Schlesier, Polen, Reußen den vierten
und fünften, Otakar selbst führte den sechsten Haufen, der über ueunthalbhuudert sächsische
und bayerische Helme stark war. Die Nachhut bildeten Böhmen. Ihnen soll Otakar seine
Person nicht mehr anvertraut haben.
Abends vorher und noch am frühen Morgen teilte er Gold und Gut mit größter
Freigebigkeit aus in der Hoffnung, dadurch viele sich anhänglicher zu machen. Da trat vor
ihn ein thüringischer Ritter und Herbord von Füllenstein; sie versprachen, wenn ihnen Gott
das Leben schenke, den römischen König zur Erde bringen zu wollen. „Dafür soll euer Ge¬
schlecht sich ausbreiten," entgegnete Otakar. Barfüßermönche eilten die Reihen auf und ab,
die Gerechtigkeit Otakars preisend. Der König ließ die Kriegsfürsten und Häupter zusammen¬
treten, stellte sich mit silberner Rüstung in ihre Mitte, eine Krone von Edelsteinen auf dem
Helme, und sprach ihnen mit begeisternden Worten zu.
Die Macht des römischen Königs, erzählt Lichnowsky, teilte sich in vier Haufen und
eine Nachhut. Dies geschah auf den Rat Hugos von Tauffers, der in den Kriegen der
Lombarden erfahren war. Die ersten beiden Haufen bestanden aus Ungarn. Im dritten,
den Rudolf selbst führte, waren die Steirer, Kärntner, Krainer, Salzburger, Schwaben, die
Mannen der Stammgüter und die vom Elsaß aufgestellt. Die hundert von Zürich sollen voran
gewesen sein; man sagt, der König habe befohlen: „Sehet auf diese, noch nie sah ich einen
Züricher einen Fuß hinter sich setzen." Ihm zur Seite war sein Sohn Albrecht mit einer
Rennfahne, worauf zum Zeichen eines Gelübdes ein rotes Kreuz auf weißem Grunde glänzte.
Die vierte Abteilung bildeten die Österreicher, geführt von dem mehr als 100 jährigen Land¬
richter Otto von Haslan.
Die Nachhut, eine erlesene Schar von 300 Rittern, stellte der König hinter eine An¬
höhe. Er hatte sie zuerst dem Grasen Heinrich von Pfannberg übergeben wollen; dieser
lehnte ab, „bem König ob ber Zumutung verzeihend". Darauf ersuchte er den laugen Ulrich
von Kapellen unb Konrab von Sumerau. Sie übernahmen ben Auftrag, jeboch ungern;
vielleicht schien er ihnen für ihre Ehre nachteilig; ntn üble Nachreben zn vermeiben, erklärten
sie ihre Lage ben anbern von Abel.
Auf bes Königs Geheiß rückten bie beiben Flügel vor; das Ganze war mit nie ge¬
sehener Kunst geordnet. Er selbst trug in gemeiner Tracht einen unscheinbaren Panzer und
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