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sinnige oder, wie sie früher hieß, die Fortschrittspartei
der Regierung irgend entgegengekommen wäre, bei der
sie das Bestreben gezeigt hätte, sich zu fragen: befestigen
wir hierdurch das Reich oder nicht? Sie hatte sich
vielleicht gefragt; aber wenn sie sich in ihrem innern
Forum die Frage beantwortet hatte, — für welche Seite
sie sich dann entschieden hat, zur Befestigung oder nicht,
das zu entscheiden überlasse ich dem Urteil der Geschichte.
Daß die Herren Welfen gegen die Vorlage sind, das geht
aus anderen Gründen hervor als die Opposition der Fort¬
schrittspartei. Ich sage von der Fortschrittspartei nicht,
daß sie das Reich nicht will, aber sie will das Reich an¬
gebrachtermaßen nicht mit dieser Verfassung, nicht mit
diesen Menschen an der Spitze. Wenn die Herren von
der Fortschrittspartei selbst an der Spitze stünden, ich
glaube, sie würden recht kräftig eingreifen, um das Reich
nach der inneren Seite hin stärker zu machen; und ich
glaube, sie würden weniger Opposition vertragen, als wir
sie vertragen.
Aber auch von konservativer Seite wird gegen das
Gesetz eine Opposition teils im ganzen, teils angebrach¬
termaßen geübt, die ich mit der Aufgabe der konservativen
Partei nicht verträglich finde. Ich möchte jedem Kon¬
servativen, der hier gegen das Gesetz auftritt, mit dem
Spruch des Dichters antworten: „Es tut mir lang' schon
weh, daß ich dich iu der Gesellschaft seh'." Es liegt
ja sehr nahe — les extremes se touchent —, daß Hyper¬
konservative — ich habe das oft in meinem Leben schon
durchgemacht — sich unter Umständen, wenn sie zornig
werden, im politischen Effekt von den Sozialdemokraten
nur wenig unterscheiden (»eiterfeit). Ich möchte den Herren
zurufen zur Erinnerung an den Boden des Vaterlandes
und selbst der Partei, auf dem sie stehen: wie können Sie
von seiten der Konservativen Partei auf diese Weise bem
individuellen Zorn, dem Verdruß, dem lokalen Interesse
Raum geben gegenüber einer Frage, welche die Gesamt-