Full text: Der Streit zwischen Kaisertum und Papsttum (H. 33)

16 11. Der Friede zu Venedig 1177 
trat der Kaiser von der anderen Seite heran, hielt seinen Steigbügel und 
führte das Pferd, nachdem der Papst es bestiegen, eine Strecke weit nach 
Stallmeisterart an den Zügeln . . . 
Ms aber der nächste erste August herankam, ging der Kaiser mit den 
Erzbischöfen, Bischöfen und übrigen Fürsten .. . zum Palaste des Patriarchen, 
wo der Papst Wohnung genommen hatte. In dem reichlich langen und ge¬ 
räumigen Hofe dieses Palastes nahm der Papst auf einer erhöhten Stelle 
auf feinem Faltstuhle (faldestolio) Platz, und während feine Bischöfe und 
Kardinäle ihn zu beiden Seiten umstanden, ließ er den Kaiser zu feiner 
Hechten über den Kardinalbischöfen und -Presbytern, den Erzbischof Ro¬ 
muald von Salerno aber zu feiner Linken über den Kardinaldiakonen sitzen. 
Nachdem dann Stille eingetreten war, begann Papst Alexander so- 
„(Teuerste Brüder! Dies ist der Tag, den Gott gemacht. Laßt uns an ihm 
frohlocken und fröhlich fein! Denn dieser Unser Sohn, der Erlauchte Römi¬ 
sche Kaiser, war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und 
ist wieder gefunden? ... Ehre sei Gott in der höhe und Friede auf Erden 
für die Menschen von gutem willen. Und weil wir den frommen Sinn und 
den gütigen willen unseres Kaisers erkennen, so schließen wir ihn desto 
gütiger als teuersten Sohn in die Rrme Unserer Tftilde und erkennen ihn 
sowie feine Gemahlin und feinen Sohn mit väterlicher Zuneigung als katho¬ 
lische Fürsten an und lassen ihnen die schuldige Ehre erweisen, indem wir 
Gott und Unsere Rpostel herzlich bitten, sie als die Schirmer ihrer Kirche 
unversehrt zu erhalten und sie lange Zeit zu bewahren." 
nachdem der Papst zu sprechen aufgehört, erhob sich der Kaiser nach 
Rblegung des Purpurs von seinem Faltstuhle und begann in teutonischer 
Sprache zu reden, wobei der Kanzler Christian2 seine Worte in volkstüm¬ 
licher Sprache (italienisch) auslegte. Er sprach also: „. . . Unter dem (Ein- 
fluffe schlechter Menschen waren wir vom Dunkel des Nichtwissens umhüllt, 
und während wir auf dem Wege der Wahrheit zu schreiten meinten, be¬ 
fanden wir Uns außerhalb der Pfade der Gerechtigkeit. Denn siehe! Die 
Kirche Gottes, die wir zu schirmen meinten, haben wir bekämpft, und die 
wir zu erheben hofften, haben wir fast zerstört. . . . Aber weil die gött¬ 
liche Huld Uns zwar zu Unserer Besserung eine Zeitlang in der Irre gehen, 
doch nicht für immer vom Wege abschweifen ließ, so soll diese ganze Schar 
der Gläubigen erkennen, daß wir fürderhin... Uns zur Wahrheit wenden,... 
den Herrn Alexander . . . und feine Nachfolger als katholischen Papst an¬ 
erkennen und ihm wie einem Vater die schuldige Ehrerbietung zu erweisen 
Uns vorsetzen, wir geben der Kirche, dem erlauchten König von Sizilien 
und den Lombarden, wie es unter uns geordnet und abgemacht ist, Unfern 
Frieden wieder." . . . 
1 wie der verlorene Sohn im Evangelium (Luk. 15, 24). 
2 Erzbischof von Mainz.
	        
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