6 I- Dom Kusbruch des Krieges bis zum Einmarsch in Frankreich
4. Das preußische Heer im Zriihjahrrseldzuge.
a)1 (Es ist wahrlich nicht Ttationaleitelfeit, sondern meine volle
Überzeugung, wenn ich immer wieder auf den ITCut unserer Leute zu¬
rückkomme: ich wenigstens habe eine derartige stolze Hingebung für
die Sache des Vaterlandes noch niemals gesehen. (Ein allgemeiner Wett¬
eifer zuckte wie ein mächtiger elektrischer Schlag durch alle Schlachtreihen
(bei Groß-Görschen), die Freiwilligen strebten sichtbar, den höheren
Standpunkt ihrer Bildung auch im Gefecht bemerklich zu machen, und
Öen Liniensoldaten dagegen belebte das kriegerische Ehrgefühl, nicht
hinter den jüngeren Waffengefährten zurückzubleiben. (Es war wohl kein
Stand des bürgerlichen Lebens, der nicht an diesem Tage für die Erhal¬
tung des Vaterlandes in unseren Kriegerreihen kämpfte. Das branden-
burgische Dragonerregiment führte der Chef desselben, der Prinz
Wilhelm,^ Bruder des Königs, mehr als einmal an dem heutigen
Tage in das ernste Gewühl des persönlichen Kampfes, während auf dem
linken Flügel des Regiments in der ersten Reiterreihe der hofmarschall
des Prinzen, Graf Gäben, als Wachtmeister sich in den Kampf stürzte.
Gelehrte und Künstler erkämpften sich mit ihrem Blute jenen hohen
bürgerlichen Standpunkt, den heilige Vaterlandsliebe in dem alten
Griechenlande errang. ItTöge die göttliche Vorsehung den schönen Geist
dieses Tages, so oft es das Vaterland bedarf, in der Brust unserer Nach¬
kommen aufkeimen lassen, die Regierung niemals den hohen wert einer
derartigen geistigen Entwickelung verkennen!
b)3 (Es ist lange nicht genug, zu sagen, daß unsere Armee mit bei¬
spiellosem Heldenmut gefochten hat, sondern, um für sie die tiefe Achtung
zu empfinden, welche sie verdient, muß man wissen, daß sie nicht allein
unbedingt unter die Gewalt fremder Feldherren, die ihren früheren
Ruhm nicht behauptet haben, gegeben war, und also das (Dpfer ihrer
Fehler und Ungeschicklichkeiten ward, sondern daß es ihr selbst an oberer,
erfahrener und einsichtsvoller Leitung in ihrem eigenen Umfange fehlte.
Selbst weiter hinunter fehlte es den besten Offizieren bald an (Erfahrung,
bald an kaltem Blut: sie haben ihr Leben verschwendet. Aber mit allem
dem hat der verhältnismäßig kleine Haufe unserer Armee, immer nur
1 Generalfeldmarschall Hermann v. Boqen, Denkwürdigkeiten u. (Erinne¬
rungen. Stuttgart, Robert Lutz, ITtemoiren-Bibliotfjef II S. 258 f. Boyen war
Scharnhorsts eifrigster Gehilfe und machte als Gchef des Generalftabes des
3. (Bülorofchen) Armeekorps die Feldzüge 1813 u. 1814 mit; nach dem Frieden
wurde er Kriegsminister und führte die allgemeine Wehrpflicht ein.
5 Der dritte Sohn Friedrich Wilhelms II., war 1813 in Blüchers Haupt¬
quartier und führte in der Schlacht bei Groß-Görfchen oder Lützen die Reserve-
kavallerie.
8 Lebensnachrichten über Barthold Georg Tticbuhr. Aus Briefen desselben
und aus (Erinnerungen feiner nächsten Freunde. Hamburg 1838. S. 563.