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den hochverdienten Mann seiner Feldherrnwürde und legte 
ihm noch eine Geldstrafe auf. So mußte denn Perikles noch 
am Abende seines Lebens den Wankelmuth und die Unbe¬ 
ständigkeit des Volkes erfahren, die sich schon früher in ein¬ 
zelnen Vorfällen geäußert hatten. Er hatte bereits erleben 
müssen, wie sein Freund Phidias angeklagt wurde, von dem 
Golde für die Bildsäule der Athene einen Theil unterschlagen 
zu haben, und obgleich Perikles die Beschuldigung widerlegte, 
mußte er doch den Phidias in das Gefängniß wandern sehen, 
in dem der Künstler sein Leben endigte. Seinen Lehrer 
Anaxagoras, der von den Athenern der Gottlosigkeit beschul¬ 
digt wurde, konnte er nur dadurch retten, daß er ihn aus 
der Stadt schickte; und nur durch seine Bitten und Vor¬ 
stellungen vermochte er seine Freundin Aspasia, die er 
zärtlich liebte, gegen eine Anklage zu vertheidigen. 
Doch nicht blos das schmerzliche Gefühl, sich auf so 
undankbare Weise seiner Würde entsetzt zu sehen traf den 
Perikles in seinem Alter, auch häusliche Leiden beugten den 
sonst starken Mann. Die fürchterliche Pest wüthete in seiner 
eignen Familie, er verlor durch den Tod seine Schwester und 
seinen SohnTanthippos; dennoch behielt er jene Seelengröße, 
die über die Schläge des Schicksals erhaben ist. Als er 
aber auch seinem Sohne Paralos, den gleichfalls die Pest 
dahinraffte, nach Athenischer Sitte den Todtenkranz aufsetzte, 
da überwältigte ihn der herbste Schmerz, er brach in Thrä¬ 
nen und laute Klagen aus, was er nie in seinem Leben ge¬ 
than hatte. 
Bald erkannte das Athenische Volk seinen Undank und 
seine Uebereilung; es überzeugte sich von der Wichtigkeit und 
Unentbehrlichkeit des tiefgekränkten Mannes und übertrug 
ihm von neuem seine vorige Würde. Doch nicht lange mehr 
sollte er an der Spitze der Verwaltung seines Vaterlandes 
stehen: auch ihn'ergriff die verheerende Seuche. Als er dem 
Tode nahe war, rühmten die um ihn sitzenden Bürger die 
Größe seiner Tugend und seiner Macht, und die Menge 
seiner Siege, ohne daß sie von dem Perikles gehört zu 
werden glaubten. Er aber hatte Alles gehört und sagte: 
,,Jch wundere mich, daß ihr nur das erwähnt, woran das 
Glück gleichen Antheil mit mir hat, und was schon vielen
	        
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