Object: Von Goethe bis zur Gegenwart (Band 2, [Schülerband])

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Da tritt auch die Mittler aus dem Erdgeschoß, und der alte 
Fuchs erinnert sich, daß es Zeit sei, die Familienszene zu beenden. 
Er macht sich aus. Gelassen schlendert er, den Schweif kavaliermäßig 
schleppend, durch Busch und Kraut, immer querfeldein. Denn wie 
das echte Genie verschmäht, in fremde Fußstapfen zu treten, so läßt 
auch er die Heerstraße und mag sich gern in Riedgras, Korn und 
Hag verlieren, wo bunte Blumen blühen und muntere Vögel singen. 
Die rosigste Laune leuchtet aus seinem Angesicht; Gedanken, Bilder 
und Träume nmschwirren ihn wie ein lustiges Schneegestöber. Unter¬ 
dessen ist er mitten im Waldbann. Er schleicht langsamer, leiser, 80 
vorsichtiger. Der Abend haucht ans Halm und Blatt. Die Bäume 
heben ihre Wipfel regungslos in die Stille; nur die Vogelkehlen sind 
noch laut. Tie Drossel lockt mit hellem Ton; die Meise schlüpft, ihr 
^higffpitzes Liedchen schrillend, von Busch zu Busch; der Wald¬ 
schreiner Specht hackt und hämmert am Eichenstumpf; dazwischen 
kreischt mit einem wunderlich äffenben Schnörkel der Häher; und ist 
dann aus einmal alles still und erschreckt über des Possenreißers 
Glossen, so stöhnt aus dem Schoß der grünen Einsamkeit der 
melancholische Ruf des Wiedehopfes. Reineke ist am Rande der 
Waldwiese angekommen. Er lauscht. Die Blumen neigen ihre Kelche, 90 
da und dort summt noch eine Biene, oder ein schwer gepanzerter 
Käfer schweift, behaglich erbrummend, in geschwungenem Bogen dahin. 
Jetzt knackt es in den Zweigen. Der Fuchs spitzt das Ohr: 
ein Pfeifen läßt sich hören. Da tritt das Reh heraus, das Haupt 
keck emporgerichtet, die Augen nach allen Seiten rollend. Wieder 
pfeift es, und in schlankem Sprunge ist das Kälbchen der Alten zur 
Seite. In ben drolligsten, graziösesten Sätzen tändelt es um die 
Mutter, ein Blatt, ein Kraut wie im Fluge abstreifend, und dann 
sich niederwerfend, um zu saugen. Die Mutter leckt ihn: kosend den 
Nacken. Plötzlich hebt die Ricke den Kopf. Ihre Lichter funkeln, 100 
ein Zittern fliegt über die Flanken, sie macht ein paar Sprünge und 
stampft zornig mit den Läufen. Es ist klar: sie hat den Räuber 
gewittert. Der hat sich leisen Fußes herangestohlen, sacht, sacht, das 
Kitzlein unverrückt im Auge. Es gilt einen kühnen Griff. Wenn ihm 
nur die Alte nicht soeben den Weg verrannt hätte! Aber Reineke 
läßt sich nicht beirren; er tut, als sei er in tiefen Gedanken. Träu¬ 
merisch sinnend starrt er ins Blaue. Keine Miene verrät, daß er 
der Beute ansichtig geworden. Er verschwindet, um in weitem Bogen 
Don einer anderen Seite den Angriff zu versuchen. Allein die wachsame 
Alte drängt sich dicht an das Junge; denn sie kennt den Arglistigen. 110
	        
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