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Erster Zeitraum. Von den ältesten Zeiten bis zur Bildung des deutschen Reiches 843.
an der Spitze eines geschulten Heeres eine drohende Stellung gegen
Rom ein. Tiberius rüstete, um auch diesen letzten Widerstand nieder¬
zuwerfen. Während Tiberius selbst von der Donau gegen Böhmen
losbrach, rückte ein zweites römisches Heer, vom Rheine her das Main-
thal empor ziehend, gegen Marbod vor. Aber ehe es zur Entscheidung
kam, brach in Pannonien ein furchtbarer Aufstand gegen Rom aus.
Daher beeilte sich Tiberius, dem Marbod Frieden anzubieten, und
dieser nahm ihn an: Marbod wurde von Rom als König und Bundes¬
genosse anerkannt.
Etwas später erhielt den Oberbefehl am Rheine P. Quinetilius
Varus, der vorher Statthalter in Syrien gewesen war und dort eine
schon lange an Fremdherrschaft und Gehorsam gewöhnte Bevölkerung
unter sich gehabt hatte. Er hielt auch die Germanen, getäuscht durch
ihr ruhiges Wesen, für vollständig besiegt und behandelte das Land
wie eine eroberte Provinz, indem er römische Steuern und römisches
Recht einführte. Die häufige Anwendung der Todesstrafe und der
Prügelstrafe, die bei unsern Vorfahren nur gegen Verräter und Un¬
freie Anwendung fanden, und der Hochmut und die Willkür des Statt¬
halters selbst und seiner Unterbeamten erbitterten das Volk aufs höchste.
Bei den Cheruskern, dem mächtigsten Stamme zwischen Elbe und
Rhein, hatte seit dem Bündnisse, welches Tiberius mit Marbod ge¬
schlossen, die den Römern feindliche Partei das Übergewicht erhalten.
An ihrer Spitze stand Arminius, der Sohn Segimers. Ebenso
kühn und tapfer, wie klug und verschlagen, wußte er im geheimen
eine Anzahl von Stämmen zu einem Bunde gegen die römische Herr¬
schaft zu gewinnen. Als alles zum Aufstande vorbereitet war, erhob
sich im Einverständnis mit den Verschworenen ein entfernt wohnender
Stamm. Um die Empörung im Keime zu unterdrücken, brach Varus
9 n. Chr. mit drei Legionen — es war im Herbst des Jahres 9 u. Chr. Geb. —
aus den: Standquartier zu Aliso aus. Trotz der Warnungen des
Cheruskerfürsten Segest, des Hauptes der römischen Partei bei diesem
Stamme, entließ Varus die verschworenen Fürsten, die sich bei ihm
eingefunden hatten, mit dem Befehle, ihm auf dem Marsche die Hilfs¬
mannschaften ihrer Stämme zuzuführen. Als die Römer bei Sturm
und Regen durch unwegsame Wälder und Thäler zogen, wurden sie
nun durch die von allen Seiten herbeiströmenden Germanen unter der
Führung Armins angegriffen und nach zweitägigem Kampfe, ehe sie
wieder Aliso erreichten, niedergemacht. Varus und viele Führer töteten
sich selbst; nur wenige entkamen. Durch die Schlacht „im Teuto¬
burger Walde" wurde Deutschland sür alle Zeiten von der
römischen Herrschaft befreit. Den Schauplatz des Kampfes verlegt
man in die Nähe von Detmolds. Die Nachricht von der Niederlage
1) Detmold liegt an der Werre, einem Nebenflüsse der Weser. Ans der
nahen Grotenbnrg ist i. I. 1875 das „Hermanns - Denkmal" in Gegenwart des
Kaisers Wilhelm I. enthüllt worden.