IV. Das fränkische Reich bis zum Vertrage von Verdun.
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Diensten in Krieg und Frieden verpflichtet war. Als Entgelt für
solche Dienste erhielten die Getreuen aus dem reichen Königsgute Land
zur Benutzung verliehen. Im Gegensatze zunr persönlichen Eigentum,
dem Allod, hießen diese Güter Lehen (beneficium), die mit ihnen
Beliehenen Lehnsleute, Vasallen. Seitdem durch die Eroberungen
in Gallien das Königsgut eine so mächtige Ausdehnung erhalten hatte,
waren die Könige hu stände, die Zahl ihrer Getreuen, der Lehnsleute,
bedeutend zu vermehren. Diese waren es auch, aus deren Hilfe sich
die späteren Könige in ihren Kriegen gegeneinander mehr und mehr
angewiesen sahen. Aus ihnen und den königlichen Beamten, besonders
den Grafen, entstand ein Adel, dem es um so mehr gelang, die
königliche Macht zu schwächen, als das Königsgut zusammenschmolz
und die Könige persönlich untüchtig wurden.
An die Spitze dieses Adels trat mit der Zeit einer der könig¬
lichen Hosbeamten, der Hausmeier (major domus). Er führte an¬
fangs nur die Aufsicht über den Palast und die königlichen Domänen,
dann erhielt er die Aufsicht :md den Befehl über das Dienstgefolge
und bald auch die Führung der Heere und brachte endlich die ganze
Regierung an sich. Jedes der drei Reiche hatte einen eigenen Haus¬
meier. In Austrasien bekleidete dieses Amt die angesehene und reiche
Familie der Pippiniden. Unter ihnen ragte Pippin der Ältere hervor,
dessen Enkel Pippin der Mittlere in der Schlacht bei Tertri^) im
Jahre 687 den Hausmeier Neustriens besiegte und die Hausmeierwürde 687
für alle drei Reiche an sich brachte. Er nahm den Titel „Herzog und
Fürst der Franken" (dux et princeps Francorum) an. Damit war
die gesamte militärische Macht der Franken wieder geeinigt.
Die Bedeutung der merowingischen Könige trat vor den Haus¬
meiern als den eigentlichen Regenten mehr und mehr zurück. Pippins
Sohn Karl Martell (b. H. der Hammer) konnte sich in der väter¬
lichen Stellung zwar nur durch schwere Kämpfe behaupten, wahrte aber
dennoch die Reichseinheit, unterwarf die Friesen und schlug die Sachsen.
Inzwischen hatten die Araber nach Zerstörung des Westgotenreichs
auch die Pyrenäen überschritten. Da trat ihnen Karl Martell bereits
mit der Gesamtmacht des Reiches entgegen. Durch seinen Sieg bei
Poitiers im Jahre 732 rettete er Europa vor der Über- 733
schwemmnng durch die Araber und den Islam.
Nach Karl Martells Tode übernahm sein Sohn Pippin im
Jahre 741 die Herrschaft im Frankenreiche. Weil aber die Großen
den Namen des merowingischen Schattenkönigs häufig zum Vorwande
der Auflehnung nahmen, beschloß Pippin, die Merowinger ganz zu
beseitigen. Nachdem er ftd) durch eine Gesandtschaft der Zustimmung
des römischen Papstes Zacharias versichert hatte, ließ er von einer
1) Tertri liegt nahe der Somme (unweit St. Quentin).