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Die griechische Geschichte.
Gebräuche des Volkes aus eigener Auschauung, da er auf großen Reisen
viel selbst kennen gelernt hat. Eine eigentliche historische Kritik übt er nicht
an dem ihm vorliegenden Stoffe; doch wählt er aus verschiedenen ihm
überlieferten Berichten in der Regel den aus, der ihm am meisten glaublich
erscheint.
In ganz anderer Weise hat Thucydides, der gleichfalls ein Zeit¬
genosse des Perikles war, seine Geschichte des peloponnesischen
Krieges (§22) geschrieben. Er gibt nur das als geschichtliche Wahrheit,
was er auf Grund genauer und sorgfältiger Forschung als solche erkannt
hat. Jede Begebenheit wird auf ihre Ursache hin untersucht, ihre Folgen
werden genau festgestellt. Sein Stil ist im Gegensatz zu der behaglichen
epischen Breite Herodots kurz und gedrungen, infolgedessen nicht leicht
verständlich.
III. Periode.
Der staatliche Zirsamrrrertbrirch des griechischen Volkes und
das Zeitalter des Hellenismus.
I. Der beginnende politische Verfall Griechenlands.
§ 22.
Die Dernichtnng der Vorherrschaft Athens durch den
peloponnejischen krieg.
1. Ursachen und Veranlassung. Wie der wirtschaftliche Wohlstand
und die geistige Blüte unseres Vaterlandes durch den grauenvollen dreißig¬
jährigen Krieg aus lange Zeit vernichtet wurden, so stürzte auch die
griechische Kultur ein mörderischer Bruderkrieg jäh hinab von der Höhe,
die sie in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. erreicht hatte.
Unter den vielen griechischen Stadtstaaten hatten zwei ihre Verfassung
in eigenartiger Weise entwickelt, so daß ihre staatlichen Einrichtungen vor¬
bildlich für die meisten übrigen Gemeinwesen Griechenlands geworden waren:
der Ackerbau st aat der dorischen Spartaner mit einer aus¬
geprägt aristokratischen Verfassung und die ionische See-
iind Handelsmacht Athen mit rein demokratischen Staats¬
ei n r i ch t n n g e n. Der Gegensatz zwischen dem soldatischen, rauhen, hoch-