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22. Friedrich Wilhelm T.
Der Nachfolger Friedrich I. war dessen Sohn Friedrich Wilhelm I.
Derselbe war streng religiös, bieder und rechtschaffen; doch ließ
er sich durch seine Heftigkeit nicht selten zu übereilten Handlungen
hinreißen, so daß man ihn mit einem guten Kern m einer rauben
Schale vergleichen kann. Es mißfiel ihm, daß man, um den großen
Aufwand am Hofe bestreiten zu können, das Volk mit schweren
Abgaben drückte. Er faßte den Entschluß, den überflüssigen Luxus
abzuschaffen und fing schon als Kronprinz für seine Person damit
an. So wurde ihm einmal ein mit goldenen Blumen besetzter
seidener Schlafrock überbracht. Er betrachtete ihn von allen Seiten
und sagte dann: „Ein guter Schlafrock muß von Wollenzeug sein,
dieses Narrenkleid werde ich nicht anziehen", und damit warf er
den kostbaren Schlafrock ins Feuer. — Zu seiner Zeit war die
Mode aus Frankreich nach Deutschland gekommen, sich die natür¬
lichen Haare abschneiden zu lassen und dafür große, ungemein
lästige und kostspielige Perücken zu tragen, die bis auf die Schultern,
ja selbst noch weit über den Rücken hinabreichten. Dem Kron¬
prinzen war diese Mode verhaßt. Er traf einmal im Vorzimmer
des Königs mehrere Hofleute, die sich um die Flamme eines Kamins
gefetzt hatten und ihre Häupter weit zurückbogen, damit ihre schönen
Perücken nicht durch einen Feuerfunken beschädigt würden. Der
Kronprinz setzte sich zu ihnen und unterhielt sich eine zeitlang mit
ihnen über die lächerlichen Modethorheiten, wobei ihm alle Recht
gaben. Da sprach er: „Es freut mich, meine Herren, daß sie mit
mir einverstanden sind! Wir wollen daher gleich den Anfang
mit der Abschaffung einer lächerlichen Mode machen, die jährlich
viel Geld gekostet hat." Darauf nahm er seine Perücke vom Kopfe
und übergab sie den Flammen, indem er ausrief:' „Ein Lump,
wer es mir nicht nachthut!" Die Herren waren wie vom Blitze
-getroffen; denn eine solche Perücke kostete zweihundert Thaler. Es
blieb ihnen jedoch keine Wahl; denn sie fahen wohl ein, daß der
Kronprinz keinen Scherz treibe und wagten nicht, sein Mißfallen
oder wohl gar feinen Zorn zu erregen. Einer nach dem andern
nahm die Perücke von dem geschorenen Kopse und warf sie zögernd
ins Feuer. x
Als Friedrich Wilhelm am 13. Februar 1713 zur Regierung
•gelangte, begann er unverzüglich damit, die Verbesserungen ein¬
zuführen, über die er längst mit sich einig geworden war. Fürs
erste wurden die überflüssigen Kammerherren, Kammerjunker und
Edelknaben entfernt. Dann prüfte er alle Listen der Beamten,
erwog jeden einzelnen Dienst und schrieb auf dcn Rand der Liste:
„gut, bleibt," oder aber, was gewöhnlicher war: „ist überflüssig,
kann sich scheeren."