Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Wanderbursch anbot, oder schickte im günstigsten Falle nach der 
Herberge. Heut hat der Meister keine Zeit mehr zum Warten und 
der Geselle keine Zeit zum Suchen. Wir brauchen schnellere und 
wirksamere Mittel der Arbeitsvermittlung. Der Weg durch die 
Zeitungsanzeige ist für beide Teile kostspielig, nur in größeren Orten 
gangbar und führt durchaus nicht immer zum Ziele. Ein plan¬ 
mäßig eingerichteter Arbeitsnachweis ist darum heut für beide Teile 
unerläßlich, ein Arbeitsnachweis, der dem Arbeitgeber sofort Über¬ 
blick geben kann über das gesamte ihm zugängliche Angebot von 
Arbeitskräften auch hinsichtlich ihrer besonderen Fähigkeiten, und der 
den Arbeitsuchenden unterrichtet über alle Arbeitsmöglichkeiten und 
offenen Stellen. Aus diesem Grunde rechnet auch die Gewerbe¬ 
ordnung die Fürsorge für den Arbeitsnachweis neben der Förde¬ 
rung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Lehr¬ 
lingen und der Fürsorge für das Herbergswesen zu den Aufgaben 
der Innungen. Der Umstand, daß diese drei Aufgaben der In¬ 
nungen in einem Satze genannt sind, weist schon darauf hin, daß 
zwischen ihnen ein inniger Zusammenhang besteht. Denn einmal 
ist der Arbeitsnachweis zweckmäßig mit der Herberge — die nicht 
unbedingt zugleich Schankwirtschaft zu sein braucht — zu verbinden, 
und zum andern trägt ein richtig, d. h. unparteiisch geleiteter Ar¬ 
beitsnachweis ganz wesentlich zur Förderung eines gedeihlichen Ver¬ 
hältnisses zwischen Meistern und Gesellen bei. 
Gesellen, welche bei Jnnungsmitgliedern Beschäftigung suchen, 
haben sich nur bei der Geschäftsstelle des Arbeitsnachweises zu 
melden, sich vorschriftsmäßig auszuweisen und erhalten eine Be¬ 
scheinigung; ohne diese Bescheinigung darf im allgemeinen kein 
Geselle in Arbeit genommen werden. 
Das Jnnungsstatut muß auch dann Bestimmungen über den 
Arbeitsnachweis enthalten, wenn seitens der Gemeinden oder durch 
andre Körperschaften öffentliche Arbeitsnachweise unterhalten wer¬ 
den, da das dauernde Bestehen solcher Einrichtungen nicht gewähr¬ 
leistet ist. Allerdings können die Jnnungsverbände Vorschriften zur 
Regelung des Arbeitsnachweises erlassen; es liegt aber den In¬ 
nungen ob, die Ausführung dieser Vorschriften in die Wege zu leiten 
und zu überwachen. Mit der Einrichtung des Arbeitsnachweises 
seitens der Innungen ist die Frage indes noch nicht gelöst; es 
handelt sich auch darum, daß der Nachweis richtig arbeitet und zwar 
im Sinne des Gesetzgebers, der hierin ein Mittel zur Herstellung 
eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Geselle und Meister sah. 
Leider aber hat auf dem Gebiete des Arbeitsnachweises vieler Orten, 
besonders in Großstädten, bei den Innungen eine gewisse Lässigkeit 
Platz gegriffen, und so ist es möglich gewesen, daß Gewerkschaften 
und andere Vereinigungen der Gesellen die Gelegenheit ergreifen
	        
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