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Königin Gerlind ritt mit ihrer schönen Tochter Ortrun zum Strande
hinab, um die Helden zu begrüßen und Kndrnn freundlich zu empfangen.
Mit schwerem Herzen war diese an die Küste des fremden Landes ge¬
stiegen; als sie in die harten, grausamen Züge der Königin Gerlind
sah, wußte sie, daß ihr hier Leides die Fülle beschert war. Sie wandte
sich ab und versagte der Mutter Hartmuts Gruß und Kuß. Die
liebliche Ortrun aber faßte sie zärtlich an der Hand; sie war ohne
Falsch und empfand inniges Mitleid mit der geraubten Königstochter.
Hartmut versuchte nun durch Bitten Kndruus Liebe zu erwerben und
sie zu bestimmen, seine Gemahlin zu werden: aber sie blieb ihrem
Verlobten treu und wies alle Bewerbungen des jungen Normannen¬
königs zurück.
Hartmut vermochte das nicht zu ertragen. Unmutig befahl er
seinen Mannen, sich zu einem neuen Kriegszuge bereit zu machen und
verließ die Königsburg auf lange Zeit. Kudrun übergab er der Obhut
seiner Mutter, bat sie aber, ihr freundlich zu begegnen und ihr kein
Leid anzuthun. Kaum aber war er von dannen geritten, als sie
sprach: „Wann wirst du, schöne Kudrun, deinen törichten Stolz lassen?
Ein dir ebenbürtiger Gatte ist mein Sohn, du brauchst dich seiner
nicht zu schämen!" Kudrun entgegnetc: „Ich werde niemals dem
Manne angehören, der mir Freunde und Verwandte erschlug. Eine
andere Gattin mag Euer Sohn sich suchen." Da sagte Gerlind: „So
weiß ich Mittel, deinen Hochmut zu beugen. Fortan sollst du mir
als niedere Magd dienen und den Ofen meines Gemaches heizen."
Kudrun that, wie ihr befohlen war: geduldig und sanftmütig ver¬
richtete sie den entehrenden Dienst, aber ihren Sinn änderte sie nicht.
Nach Jahresfrist sprach daher Gerlind abermals zu ihr: „Noch weiter
will ich dich demütigen. Jeden Morgen sollst du die Wäsche hinab
zum Strande tragen und dort waschen, bis der Abend kommt." „Was
Ihr gebietet, soll geschehen," sprach das Königskind und stieg mit dem
Korbe zum Meere hinab, ehe der Tag graute.
Unter den geraubten Frauen ans Hegelingen, die mit Kudrun in das
Normannen fand gekommen, befand sich Hildeburg, die schon der schönen
Hilde in Treue gedient hatte. Sie jammerte es, daß ihre junge Herrin
so grausam behandelt wurde, und mit heißen Thränen beklagte sie
das schnöde Los der Unglücklichen. Sie erbat von Gerlind die Erlaub¬
nis, Kudrun an das Meer begleiten und mit ihr waschen zu dürfen,
und höhnisch lachend gewährte ihr die schlimme Königin die Bitte.
Des war Kudrun herzlich froh; konnte sie doch jetzt mit der Freundin
ihr Leid beklagen und von den Lieben daheim reden. So verging