Full text: Lebensbilder und Sagen (Teil 1)

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nehmen: der Wissenschaft wurde durch die Begründung der Berliner 
Universität eine neue Stätte bereitet. 
(Der Sturm bricht los.) Im Jahre 1812 unternahm Napoleon 
einen Zug nach Rußland, auch Preußen mußte als sein Bundesgenosse 
ihm Hilfstruppen stellen. Sie standen unter dem General von York, 
Dieser Feldzug war ein vollständiger Mißerfolg, der rauhe russische 
Winter und der Hunger rieben das französische Heer gänzlich auf. 
Da wagte es York ohne des Königs Genehmigung einen Waffen¬ 
stillstand mit den Russen zu schließen: das war der Vertrag zu 
Tauroggen (30. Dez. 1812). „Jetzt oder nie" schrieb York an deu 
König „ist der Zeitpunkt, wo sich Eure Majestät von den übermütigen 
Forderungen eines Alliierten losreißen können, dessen Pläne mit Preußen 
in Dunkel gehüllt waren." Aber Friedrich Wilhelm hatte nicht freie 
Hand. In Berlin war er immer noch von Franzosen umgeben und 
argwöhnisch beobachtet. Er verlegte daher seine Residenz nach Breslau. 
(Jan. 1813.) Hier traf er die zum Kriege gegen Napoleon nötigen 
Vorbereitungen. Er erließ einen Aufruf zur Bildung freiwilliger 
Jägerkorps, schloß ein Bündnis mit Rußland, stiftete am 10. März, 
dem Geburtstage der Königin Lnise, das Eiserne Kreuz, erklärte 
Frankreich den Krieg und veröffentlichte am 17. März den „Aufruf 
au mein Volk." 
(Die Opferwilligkeit der Preußen.) Die Begeisterung war im 
ganzen Lande gewaltig. Zahllose Freiwillige strömten herbei, mit 
sich in die freiwilligen Jägerkorps einreihen zu lassen. Das berühmteste 
dieser Korps ist das des Majors von Lützow. Hier trat auch Theodor 
Körner ein, ans Dresden, also kein Preuße von Geburt und doch be¬ 
reit für die große Sache sein Blut hinzugeben. Auch Frauen ergriffen 
die Waffen. Eleonore Prochaska aus Potsdam diente bei den Lutzowern 
und fiel gleich Körner im Gefecht. Sophie Krüger ans Mecklenburg 
diente drei Jahre, zuletzt als Unteroffizier. Wer nicht ins Feld rücken 
konnte, opferte freudig Geld und Geldeswert. Viele brachten die 
goldenen Trauringe herbei und empffngen dafür eiserne mit der In¬ 
schrift: Gold gab ich für Eisen. Ein Herr von Schmettan meldete 
sich zum Eintritt in das Heer, der König aber wies ihn ab mit den 
Worten: „Erhalten Sie sich Ihrer zahlreichen Familie." Da spendete 
er wenigstens seine silberne Schärpe, seine Gattin Silbergerät, die 
14 jährige Nanni ihr schönes goldenes Haar. Für sünf Thaler wurde 
es verkauft. Aber ein patriotischer Mann erwarb dieses Haar und 
ließ Ketten und Ringe daraus flechten; die brachten im Verkauf eine 
beträchtliche Snmme ein. Dichter erstanden und schürteu durch ihre
	        
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