Full text: Lebensbilder und Sagen (Teil 1)

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verzweifelte. Da besuchte ihn ein alter Priester, der sprach zu ihm 
gar freundlich: „Seid getrost, Ihr werdet dieses Lagers nicht sterben, 
unser Gott wird noch einen großen Mann aus Euch machen, der viele 
Leute wieder trösten wird." Luther freute sich der Weissagung, er 
genas und konnte sein Studium fortsetzen. Zwei Jahre später erwarb 
er die Würde eines Magisters der Philosophie und gehörte nun schon 
zu den angesehenen Leuten auf der Universität. 
4. Aber Luther war mit sich selbst nicht zufrieden. Sein Leben 
erschien ihm eitel und sündhaft, er fürchtete sich vor Gottes Zorn und 
fragte sich unaufhörlich: was kannst du thun, daß du einen gnädigen 
Gott kriegst? In dieser Herzensnot glaubte er am besten zu thun, 
wenn er die Welt verließ und in ein Kloster ging. Gegen den Willen 
seines Vaters trat er in das Angnstinerkloster zu Erfurt. Er mußte 
zunächst die niedrigsten Arbeiten verrichten, die Zellen der Brüder 
reinigen, auch mit dem Bettelsack durch die Stadt ziehen und allerlei 
Gaben — Brot, Eier, Fleisch — für das Kloster erbitten. Da er 
nun als gelehrter Mann in Erfurt wohl bekannt war, so erregte dies 
das größte Aufsehen: doch Luther achtete nicht darauf, glaubte er doch 
mit der sauren Arbeit Gott einen Dienst zu thun. Daneben fuhr er 
fort aufs emsigste zu studieren: er erlernte Griechisch und Hebräisch 
und las in der Bibel, die auf der Klosterbibliothek, an einer Kette 
befestigt, als große Seltenheit ausbewahrt wurde. Aber auch diese 
Arbeit gab ihm den Frieden der Seele nicht, den er suchte, wohl aber 
das Wort seines Vorgesetzten, des Dr. Johann von Staupitz, eines 
erfahrenen und gelehrten Mannes, der ihm zurief, daß der Mensch 
nicht durch den Lebenswandel Gott Wohlgefallen könne, wohl aber 
durch kindlichen Glauben an den Erlöser. Derselbe Staupitz entzog 
den jungen Mönch dem Kloster und schickte ihn nach Wittenberg, 
um an der dortigen Universität als Professor Vorlesungen über Philo¬ 
sophie zu halten. 
5. Obgleich dies eine weltliche Stellung war, trug Luther auch 
in Wittenberg die Mönchskutte und lebte nach den Satzungen seines 
Ordens. Er übernahm auch das Amt des Predigers an der Stadt¬ 
kirche zu Wittenberg. Da er wohl beredt war und mit heiligem Ernst 
und Eifer redete, so machten seine Predigten tiefen Eindruck auf die 
Zuhörer. Als nun der Augustinerorden in einen Streit verwickelt 
war und ihn in Rom zum Austrag bringen wollte, ersah man Luther 
zum Unterhändler und sandte ihn nach Italien. (1512.) Noch em- 1 v 
Pfand er starke Ehrfurcht vor der heiligen Stadt und dem Statthalter 
Christi, der dort herrschte; er durfte hoffen, dort den Seelenfrieden
	        
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