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und heer sind in der Vorzeit eben ein und dasselbe. Ein An⸗
griff auf die Vollklsgemeinde wurde von allen Männern, ob alt
oder jung, abgewehrt. Einen ähnlichen Zustand führte vor
hundert Jahren höchste vaterländische Not herbei, als der
Dichter! rief: Srisch auf, mein Volk, die Slammenzeichen
rauchen! Die Bedeutung Heer' hat sich neben der heutigen
noch lange erhalten. „Es seynd auch etliche auß der Stadt zum
Hällischen Thore hinauß gefallen, die haben von des Zeindes
Volck bei 50 gefangen,“ berichtet der Chronist von der Be—
lagerung Leipzigs im Schmalkaldischen Kriege?, und ein andrer?
schreibt aus den schlimmen Tagen des Dreißigjährigen Krieges:
„Herr Feldmarschalck Horn ist mit 16 000 außerlesen wolmundirt
Volck nach Crossen zugezogen.“ So gebraucht es auch Schiller
in Wallensteins Lager: „Sind neue Völker herein, kommen frisch
von der Saal und dem Main.“ In einigen Zusammensetzungen
wenden wir das Wort sogar heute noch im alten Sinne an: wir
reden von Fußvolk, von Kriegsvolk. „Zwei Kolonnen
gußvolk, zwei Batterien, wir haben sie niedergeritten.““ „Sür
hörnum hat die Prunkbarke den Schnabel gewetzt, ihr folgen
die Ewer, kriegsvolkbesetzt.“s Für den alten Sinn zeugt endlich
auch das russische polk Regiment', das in altslavischer Zeit
dem Germanischen entlehnt ist.
Die Neigung des Wortes zur Bedeutung Plebs, die heute
ihm anhaftet, geht auf die Bedeutung Schar, Menge' zurück.
Als nun das Heer vorüber war
zerraufte sie ihr Rabenhaar. Bürger, Lenore.
Neben der besondern Bedeutung Kriegsheer' hat das Wort
heer seit uralten Zeiten den allgemeinen Sinn Schar, Menge.
„Die segele hiez man läzen nider in al dem her“ — man hieß
Rörner, Aufruf. — Aus Beier-Dobritzsch I, 507. — daselbst 5. 446.
GFreiligrath, Trompete von Viomwille.
s Ciliencron, Pidder Lüng.
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