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Die Völkerwanderung.
Schon tränkten die Hunnen ihre Rosse an der Loire; Orleans
hatten sie eingenommen. Aber jetzt wichen sie zurück auf das
Ratalaunische Feld, das sich von der Seine zur Marne hin¬
streckte und zur Reiterschlacht trefflich geeignet war.
Hier rang christliche Zucht gegen tückische Wildheit in einer der
451 blutigsten und segensreichsten Völkerschlachten der Weltgeschichte. Die
Nacht unterbrach das Morden; rotschäumend schwollen die Bäche
von Blut. In wildem Reitersturm warfen die Westgoten den Feind
in seine Wagenburg zurück; ihr König fiel. Angesichts der Hunnen
ehrten sie den greisen Helden durch Totengesänge.
Auf Aetius' Rat führte Theoderichs Sohn Thorismund sein
Heer in die Heimat, um sich seines Vaters Thron und Hort zu sichern.
So konnte Attila unbehelligt abziehen.
4. Im nächsten Jahre drang er unter Raub und Brand in
Italien ein. Am Mincio trat ihm mit einer römischen Gesandtschaft
Bischof Leo I. entgegen. Nach einer Zusammenkunft, die von der
Sage sinnig verklärt worden ist, trat der Hunne, das Schicksal
Alarichs fürchtend, den Heimzug an. Italien mit seinem gebirgigen
Boden war ohnehin kein geeignetes Land für seine Reiter.
Unter neuen Unternehmungen und Entwürfen ereilte ihn ein jäher
Tod; dem oströmischen Kaiser zeigte ein Gesicht den hunnischen Bogen
zerbrochen. Attilas Reich zerfiel; die von ihm unterjochten Völker
machten sich wieder selbständig.
* *5. Die Germanen hatten vor Attila hohe Achtung; nur unter
einem gotischen Namen (Verkleinerungswort von atta — Vater) lebt
der mächtige Kriegsfürst in der Geschichte fort. Im Hildebrands-
und Walthari- wie im Nibelungenlied erscheint er wie ein germanischer
Held. Als Gottesgeißel bezeichnet ihn erst das achte Jahrhundert.
Als solche stellt ihn WilhelmKaulbachs Gemälde im Treppenhaus
des Berliner Museums in Anlehnung an eine Sage dar, nach der die
Erschlagenen die Hunnenschlacht fortsetzen. Die Begegnung mit Leo I.
□ hat Raffael in den Stanzen des Vatikans gemalt.□
5. Vandalen und Ostgoten. Theoderich.
1. Bald nach Attilas Tode wurde Aetius, verleumdet wie Sti-
licho, von Kaiser Valentinian mit eigener Hand niedergestoßen.
Nun aber kam das Verderben.
Die Vandalen hatten in der Glanzzeit Alarichs den Rhein