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2. An einem schönen Sommertage war irn Prater zu Wien ein großes
Volksfest. Der Prater ist eben eine sehr große, öffentliche Gartenanlage
voll herrlicher Bäume und ist der Hauptspaziergang und Belustigungsort
der Wiener. Viel Volks strömte hinaus, und jung und alt, vornehm
und gering, freuten sich dort ihres Lebens; auch viele Fremde kamen,
die sich an der Volkslust erfreuten. Wo fröhliche Menschen sind, da
hat auch der etwas zu hoffen, der an die Barmherzigkeit seiner glück¬
licheren Mitmenschen gewiesen ist. So waren denn hier eine Menge
Bettler, Orgelmänner, Harfenmädchen, die sich ihren Kreuzer zu ver¬
dienen suchten.
3. In Wien lebte damals ein Invalide, dem seine kleine Pension
zum Unterhalte nicht ausreichte. Betteln mochte er nicht. Er griff daher
zur Violine, die er von seinem Vater erlernt hatte, der ein Böhme ge¬
wesen war. Er spielte unter einem alten Baum im Prater, und seinen
treuen Pudel hatte er so abgerichtet, daß er vor ihm saß und den alten
Hut im Maule hielt, in den die Leute die paar Kreuzer warfen, die sie
ihm geben wollten. Heute stand er auch da und fiedelte, und der Pudel
saß vor ihm mit dem Hute; aber die Leute gingen vorüber, und der
Hut blieb leer. Hätten ihn die Leute nur einmal angesehen, sie hätten
Barmherzigkeit mit ihm haben müssen. Dünnes, weißes Haar deckte kaum
seinen Schädel; ein alter, fadenscheiniger Soldatenmantel war sein Kleid.
Gar manche Schlacht hatte er mitgekämpft, und fast jede hatte ihm in
einer Narbe einen Denkzettel angehängt, bei dem für das Verlieren keine
Sorge nötig war. Nur drei Finger an der rechten Hand hielten den
Bogen. Eine Kartütschenkugel hatte die zwei andern bei Aspern mit¬
genommen, und fast zu gleicher Zeit nahm ihm eine größere Kugel das
Bein weg. Und doch sahen heute die fröhlichen Leute nicht aus ihn, und
er hatte doch für den letzten Kreuzer Saiten auf seine Violine gekauft
und spielte mit aller Kraft seine alten Märsche und Tänze. Trübe und
traurig sah der alte Mann aus die wogende Menschenmasse, aus die
fröhlichen Gesichter, auf die stolze Pracht ihres Putzes. Bei ihrem
Lachen drang ein Stachel in seine Seele; heute abend mußte er hungern
auf seinem Strohlager im Dachstübchen. Sein Pudel war in der Tat
besser dran; er fand doch vielleicht auf dem Heimwege unter einem
Gossensteine einen Knochen, an dem er seinen Hunger stillen konnte.
4. Schon war's ziemlich spät am Nachmittage. Seine Hoffnung
war so nahe am Untergange wie die Sonne; denn schon kehrten die
Lustwandler zurück. Da legte sich ein recht tiefes Leid auf das wetter¬
harte, vernarbte Gesicht. Er ahnte nicht, daß nicht weit von ihm ein
stattlich gekleideter Herr stand, der ihm lange zuhörte und ihn mit dem