Full text: Die Neuzeit (Theil 3)

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das im Volke vorhandene Bewusstsein von dein heillosen Zustande 
der Kirche entgegen, sowie die Unzufriedenheit aller Stände mit den 
bestehenden politischen und socialen Verhältnissen. Vergebens suchte 
die Partei der sog. Obscuranten (Dunkelmänner), welche am Alten 
festhielten, die neue Richtung als verdammungswürdige Ketzerei zu 
verdächtigen, die Humanisten behaupteten das Feld, weil sie die 
öffentliche Meinung auf ihrer Seite hatten. 
Die resormatorische Bewegung, welche durch weise Nachgiebigkeit 
der Kirche wenigstens in ruhigere Bahnen gelenkt werden konnte, brach 
gewaltsam aus, als der Papst Leo X. zum Bau der Peterskirche in 
Rom einen Ablaß ausschrieb, den der Erzbischof Albrecht von 
Mainz, welcher die Hälfte des Gewinnes in Deutschland erhielt, 
durch den Dominicaner Tetzel verkaufen ließ. Da dieser den Handel 
auf das Unverschämteste trieb, trat Luther gegen ihn auf. 
2. Martin Luther geb. zu Eisleben 10. Nov. 1483, Sohn 
eines Bergmanns, aus einem thüringischen Bauerngeschlecht in Möhra 
unweit Salzungen, kam in seinem 14. Jahre als Schüler nach Mag¬ 
deburg und nach Eisenach, wo sich Frau Cotta seiner annahm. Da 
ihn sein Vater zum Rechtsgelehrten bestimmte, bezog er 1501 die 
Universität Erfurt, tieb hier philosophische Studien und las nach 
erlangter Magisterwürde über einzelne Schriften des Aristoteles. Tief 
erschüttert von dem Tode eines Freundes und um das Heil feiner 
Seele besorgt, fasste Luther den Entschluß Geistlicher zu werden. Er 
mit bewaffneter Hand. Aus dem Kreise der Humanisten, die sich um Reuchlin 
scharten, gingen die Obsscurantenbriefe (epistolae obscurorum virorum) fyerttor, eine 
Satire, welche die Unwissenheit und Sittenlosigkeit der Bettelmönche in deren eige? 
nem Küchenlatein ergötzlich schildert. 
Ulrich von Hutten 1488—1523, aus einer fränkischen Adelssamilie, war der 
kühnste und genialste Vorkämpfer der Reformation und der politischen Selbständig¬ 
keit Deutschlands. Aus dem Kloster zu Fulda entflohen, führte er lange Zeit in 
Deutschland und in Italien ein unstetes Leben, ohne unter dem Druck der Armuth 
und Krankheit im Kampfe für die geistige Befreiung seines Vaterlandes zu ermüden. 
Sein Wahlspruch: „Ich hab's gewagt I" 1517 trat der zu Augsburg vom Kaiser 
Maximilian I. mit dem Dichterlorbeer gekrönte Hutten in den Dienst Albrechts von 
Brandenburg, Erzbischofs von Mainz, flüchtete aber bald, wegen Theilnahme an der 
Reformation verfolgt, zu seinem Freunde Franz von Sicfingen. Von nun an er¬ 
schienen die Gedichte, Satiren und heftigen Streitschriften des unerschrockenen Hu¬ 
manisten nicht mehr in lateinischer sondern in deutscher Sprache. Als Sickingen 
im Kampfe gegen den Erzbischof von Trier auf seiner Veste Landstuhl gefallen war, 
floh Hutten nach der Schweiz, wo er auf der Insel llfnau im Zürichersee erst 36 
Jahr all starb.
	        
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