284
Geschichte der neuen Zeit-
Gutes geschah, ging ans feiner Hand. Ihre Snppe war die seinige. Waren sie ge¬
sund, so stand er in ihrer Mitte; waren sie krank, so war er an ihrer Seite. Er
schlief in ihrer Mitte; er war am Abend der Letzte, der zn Bett ging und am
Morgen der Erste, der anfstand. Er betete und lehrte noch im Bette mit ihnen,
bx§ sie einschliefen. Daher kam es, daß die Kinder ihn so lieb gewannen und
ihn als ihren Vater betrachteten.
. Ms der Flecken Altorf durch Brand zerstört wurde, versammelte Pestalozzi
dre Kinder um sich her und redete zu ihnen also: „Hört, liebe Kinder! Altorf ist
verbrannt! Ach, vielleicht sind in diesem Augenblicke hundert Kinder ohne Obdach,
ohne Nahrung, ohne Kleidung. Wollet ihr nicht etwa 20 von diesen obdachlosen
Kindern zu euch nehmen?" „Ach ja, ach mein Gott ja!"riefen alle und frohlockten
vor Freude. „Aber Kinder", sagte Pestalozzi dann, „denket dem nach, was ihr
wünschet. Wir haben nicht wviel Geld al5 wir wollen. Es sann sein, daß wir
um dieser armen Kinder willen nicht mehr bekommen als vorher. Denket, um
dieser Kinder willen könnt ihr vielleicht in die Lage kommen, mehr arbeiten zu
müssen. Und wenn ihr gar euer
Essen mit ihnen theilen müßtet?
wie dann? Sagt also nicht, daß
ihr diese Kinder wünschet, als
wenn ihr euch alles das, um
ihrer Noth willen, gern und
aufrichtig gefallen lassen wollt".
Pestalozzi sagte das mit aller
Stärke, die ihm möglich war,
und ließ die Kinder selber
wiederholen, was er gesagt
hatte, um sicher zu sein, daß
sie es verstanden. Aber sie
blieben standhaft und wieder¬
holten mit kindlicher Freude:
„Ja, ja, wenn wir auch weniger
zu essen bekommen, mehr ar¬
beiten und unsere Kleider mit
ihnen theilen müssen, so freut
es uns doch, wenn sie kommen".
— So lebte Pestalozzi in Freud
und Leid unter feinen Kindern
bis in den Sommer 1799. Da
rückten die österreichischen Heere
gegen Unterwalden vor, und das
Waisenhaus zu Stanz mußte
zu einem Lazarethe für kranke
und verwundete Franzosen be¬
nutzt werden. Die Kinder zer¬
streuten sich, und Pestalozzi welcher erkrankt war, verließ mit Schmerzen Stanz
und Unterwalden.
Burydorf. Als er wieder genesen war, wurde er Lehrer an einer Schule zu
Burgdorf im Kanton Bern. Weil er aber nicht nach dem alten gewohnten Gange
unterrichtete, so erhob sich bald ein Geschrei gegen ihn. Doch bei der öffentlichen
Prüfung zeigte sich, daß die Kinder mit großer Freude lernten und auch nach der
neuen Methode viel mehr Kenntnisse sich erwarben als nach der alten. Um diese
Zeit war große Noth im Kanton Appenzell. Da mußte der Schullehrer Krüsi zu
Gais mit 28 Waisenkindern auswandern und kam nach Burgdorf, wo man den
Armen ein Unterkommen versprochen hatte. Als Pestalozzi den Lehrer mit seinen
Kindern ankommen sah, vereinigte er sich mit demselben. Die helvetische Regierung
überließ ihnen das Schloß, und so entstand die Lehranstalt zu Burgdorf, welche
bald auch von vielen andern Kindern besucht wurde. Hier war es, wo Pestalozzi
den Grund zu den vielen Verbesserungen legte, welche durch seine Lehrmethode dem
Schulwesen zu Theil geworden find.
Jfferteu. Pestalozzi wurde nun als Schulmann in allen Ländern berühmt,
und als er im Jahre 1505 eine neue große Lehranstalt im Schloß zu Jfferteu im
Pestalozzi.