— 6 —
Die Germanen verehrten die Götter ursprünglich ohne Bildnisse in
heiligen Hainen. Neben den Göttern stehen die Mittelwesen der Elben,
Zwerge und Riesen.
Die Quellen der germanischen Mythologie sind für den Norden die
ältere und jüngere Ed da nebst anderen skandinavischen Sagensammlungen; die
Anschauungen der Südgermanen hat Jak. Grimm (geb. 1785 zu Hanau,
t 1863 in Berlin) aus Sagen und Mährchen, die im Munde des Volkes fort¬
lebten, wie aus Aberglauben, Sitten und Gebräuchen erschlossen.
Edda beifst ‘Ältermutter, Ahnfrau’, die erzählend gedacht wird: die
ältere, 33 alliterierende ^ olkslieder enthaltend, ist in Island wohl erst im
13. Jahrh. entstanden; die jüngere ist ein prosaisches Lehrbuch der alt¬
nordischen Ivunstpoesie des isländischen Rechtssprechers Snorri Sturluson
(1178—1271); daher auch Snorra-Edda genannt.
Staatliche Verhältnisse. Die grofse Anzahl deutscher Stämme war durch
kein politisches Band geeint, nur dafs gemeinschaftliche Kulte mitunter
mehrere Stämme verbanden. — Die Verfassung der einzelnen Stämme war
demokratisch, selten stand an der Spitze ein König. Im Frieden fehlte
meist jede Obrigkeit für den ganzen Stamm, die gewählten principes (später
Grafen) der einzelnen Gaue, in die der Stamm zerfiel, besorgten die all¬
gemeinen Angelegenheiten, soweit dies nicht in den regelmäfsigen oder
besonders berufenen Versammlungen des ganzen Stammes (ungebotene
und gebotene Thinge) geschah, die zugleich Gerichtstage waren. Im
Kriege wurde die Leitung einem Herzog übertragen.
Im Gau hatte der princeps, unter Beihülfe von 100 Gaugenossen, die
Leitung der öffentlichen Angelegenheiten, namentlich den Vorsitz der im
Freien abgehaltenen Volksgerichte.
Der Gau zerfiel in einzelne Gemeinden, die vermutlich Hundert¬
schaften hiefsen; ihr Gebiet hiefs Mark (Feldmark, eig. Grenze); diese
war teils Privatbesitz, teils blieb sie im Gesamtbesitz der Markgenossen (marky
almend).
Das Volk zerfiel in Freie und Unfreie (servi)\ die Freien in Adel,
Freie (:ingenui) und Liten oder Lazzen (Freigelassene und Hörige)»
der Adel hatte keine besondere Vorrechte; politisch berechtigt waren nur
Grundbesitzer. Manche Adlige umgaben sich mit einer gröfseren oder klei¬
neren Schar kriegslustiger Jünglinge, einem Gefolge (comitatus), das ihnen
mehr oder minder grofsen Einflufs sicherte.1) — Die Frauen nahmen eine be¬
sonders hohe Stellung ein.2)
Die meisten Vergehen konnten mit Geld (ursprüngl. mit Vieh) gebüfst
werden: die Bufse war z. t. Ersatz des Schadens, z. t. Strafe an die Ge¬
meinde für den Bruch des öffentlichen Friedens. — Blutrache war Regel.
1) Vgl. die fränkischen Antrustionen, u. S.. IG zu 511.
2) Tac. Germ. 8: inesse quin etiam (feminis) sanctum aliquid et providnm putant, nec ant
consilia earum aspernantur ant responsa neglegunt.