Full text: Deutsches Lesebuch für die weibliche Jugend

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Hilfe durchbrochener Blechschablonen aufgepinselt, wie man noch 
heute Pakete und ähnliches mit Signierschablonen zeichnet. Als Mit⸗ 
tel, um ihre Kinder lesen zu lehren, hatten die Römer Täfelchen mit 
je einem Buchstaben, durch deren verschiedene Zusammensetzung be— 
liebige Wörter gebildet werden konnten. 
Während und nach der Völkerwanderung fanden natürlich Kul— 
tur und Wissenschaften nur einzelne Zufluchtsstätten. Selbst die 
Kunst des Lesens und Schreibens war im früheren Mittelalter fast 
nur von Mitgliedern des geistlichen Amtes gekannt, und fast aus— 
schließlich von solchen wurden die öffentlichen Akten geschrieben, geist— 
liche und weltliche Satzungen, Bibeln und andere Manuskripte ver— 
vielfältigt. Unter ihnen wählten deshalb Kaiser und Fürsten haupt— 
sächlich ihre Kanzler, Geheimschreiber und Notarien. 
Schon der eigene Bedarf an Kirchen- und Lehrbüchern und der 
Wunsch, die nach unserem Maße winzigen Klosterbibliotheken zu 
vermehren, mußten die Mönche veranlassen, sich auf das Verviel— 
fältigen von Büchern zu verlegen, und so wurde denn auch in den 
meisten Klöstern die nützliche Kunst des Abschreibens mit mehr oder 
weniger Eifer getrieben. Man machte Abschriften aus Liebhaberei, 
oder um die Zeit auszufüllen, oder weil es als Buße auferlegt war, 
schließlich auch, um Geld durch den Verkauf zu gewinnen. Gewöhn— 
lich teilte man die Arbeit; einige schrieben den Text, andere malten 
die Anfangsbuchstaben und zeichneten Randverzierungen, wieder an— 
dere betitelten, verglichen und verbesserten usw. Außer den kleinen 
Lehrschriften wurden fast alle Handschriften verziert, und manche 
derartige Erzeugnisse mit ihren zarten, prachtvoll kolorierten Klein— 
malereien, reichen Zieraten und Vergoldungen waren wirkliche 
Prachtstücke, die in den einzelnen auf uns gekommenen Exemplaren 
noch heute unsere höchste Bewunderung erregen. War nun bereits 
ein schlichtes handschriftliches Werk notwendigerweise ein kostspie— 
liger Gegenstand, so mußten solche mit Luxus ausgestattete Hand— 
schriften sehr hohe Preise haben und konnten deshalb nur unter 
fürstlichen und sonst reichen Personen und Anstalten Abnehmer fin⸗ 
den. Es war, außer bei den wenigen Gelehrten, die auch im fin— 
stersten Zeitalter nicht fehlten, kein Bedürfnis für Bücher; die große 
Masse des Volkes und selbst der Adel waren roh und unwissend und 
kümmerten sich nicht um Belehrung durch Lesen, ja verstanden das 
Lesen nicht einmal.) 
Allmählich entwickelten sich indes die Dinge zum Besseren; 
1) „Weiter kann's die Menschheit auch nicht mehr bringen,“ sagte Herr Spazzo. 
„Die Bildung ist so weit gediehen, daß auf dem einen Schloß Hohentwiel mehr 
als ein halb Dutzend Bücher aufgehäuft liegen“ Scheffel, Ekkehard. (Anmerkung 
der Herausgeberin.
	        
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