Full text: Geschichte des Altertums für Obersekunda (Teil 3)

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Griechische Geschichte. 
6Ku?e § 76» Kultur des Hellenismus. Während das Griechentum den Orient 
eroberte — bald sollte es auch das römische Wesen sich Untertan machen —, 
erfuhr es zugleich starke innere Wandlungen. Wir nennen die neue Kultur, 
die sich jetzt herausbildet, die des Hellenismus. Sie ist deshalb be- 
sonders von weltgeschichtlicher Bedeutung, weil sie das Römertum auf das 
stärkste beeinflußte und dadurch auch mit unserer modernen Kultur in 
innerer Beziehung steht. 
PoMik. Zunächst änderten sich die st a a tli ch e n Verhältnisse. Das politische 
Leben wuchs über die engen Formen der überlieferten Kleinstaaterei hinaus; 
an Stelle des Stadt st aates trat als herrschende Staatsform das 
Reich, an Stelle der Republik die Monarchie. Zugleich verlor 
das Mutterland den größten Teil seiner politischen Bedeutung; die große 
Politik wurde an den Fürstenhöfen Makedoniens, Vorderasiens und 
Ägyptens gemacht. 
Mit dieser Entwicklung hängt ein Ab st erben des republikanischen 
Staatsideals, ein Ermatten des Bürgersinnes zusammen (vgl. § 58). 
Nach der bisherigen Anschauung war der Mensch in erster Linie Bürger 
seiner Heimatstadt; jetzt verbreiten sich einerseits kosmopolitische 
Anschauungen — der einzelne bindet sich nicht mehr an die engen Grenzen 
der Interessen des Stadtstaats, der Begriff eines allgemeinen Menschentums 
wird entworfen, der Unterschied zwischen Hellenen und Barbaren verwischt 
sich —, andrerseits macht sich immer stärker eine individualistische 
Strömung geltend, die der Einzelpersönlichkeit das Recht zuspricht, in erster 
Linie sich selbst und den eigenen Bedürfnissen und Interessen zu leben. 
Philosophie. Diese Anschauungen finden in der Philosophie des Zeitalters ihren 
Ausdruck. Noch Aristoteles hatte den Menschen sür ein zur bürger- 
lichen Gemeinschaft geschaffenes Wesen erklärt/) das nur im Staat zur 
Vollendung seiner selbst gelangen könne. Die spätere Philosophie verlangt 
von dem einzelnen nicht zuerst Hingabe an den Staat, sie legt allen Wert 
auf die Ausbildung des Innenlebens. Die stoische Schule, deren Be- 
gründer Z e n o n aus Kition war, erklärt als höchstes Gut die Tugend und 
als deren wichtigste Kennzeichen Leidenschaftslosigkeit, Unabhängigkeit gegen 
äußere Eindrücke und Selbstgenügsamkeit;^) sie erzog in schwankender 
Zeit feste, öfter auch einseitige Charaktere. Die Schule des Epikuros 
aber lehrte, daß das höchste Gut die Lust8) sei, die persönliche Glückseligkeit, 
die durch vernünftige Einsicht zu gewinnende leidenschaftliche Heiterkeit 
der Seele.4) Genießende Weltmänner begründeten gern ihr Leben auf 
1) (fvoei t&ov tioXitixov. 
3) ■fjSovrj. 
2) ctnad-eiit xa\ cciiTaQxeia. 
4) KTttQCtZta. 
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