Full text: Bilder aus der Kirchengeschichte

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gebühre, welchen ja der lebendige Gott auch gar leichtlich zu Schanden 
machen könnte, wenn er mich nur einmal in den so mannigfaltigen 
Prüfungen stecken gelassen. Wer mochte sich wohl einbilden, ich wäre 
ein solcher Narr, daß ich dächte, wenn sich Mittags und Abends ein 
Paar Hundert Menschen zu Tische setzen, diese alle speise, ernähre und 
versorge ich." 
Wir aber schließen unsere Erzählung mit den Worten, welche sich 
als Inschrift über Dem Haupteingange des Pädagogiums befinden: 
„Fremdling, was du erblickst, hat 
Glaube und Liebe vollendet. 
Ehre des Stiftenden Geist, glaubend 
und liebend wie er." 
111. Graf Zinzendorf und die Brüdergemeinde. 
1. Nicht minder segensreich als Spener und Franke wirkte der 
Gras von Zinzendorf der todten OrthoDorie (Rechtgläubigkeit) und 
dem immermehr überhand nehmenden Unglauben entgegen. 
Rikolauö Ludwig Graf von Zinzendorf wurde am 26. Mai 1700 
in Dresden geboren und bei seiner Großmutter, welche in der sächsischen 
Lausitz ihren Wohnsitz hatte, erzogen. Diese Frau war mit Spener eng 
befreunDet und' eifrig bemüht, ihrem Enkel dessen Grundsätze einzuflößen, 
für welches Streben sie in dem tiefinnigen Gemüth des Knaben einen 
jehr fruchtbaren Boden fand. „Ich habe," sagte Der Graf später, „nur 
Eine Passion, itnD Die ist Er, nur Er!" So war es schon in seiner 
frühesten JugenD. 5 Jahre alt, schrieb er bereits zärtliche Briese an 
feinen lieben Heiland, warf sie zum Fenster hinaus und Dachte in seiner 
kindlichen Einfalt, er werte sie dann schon finden. 
Als Der junge Graf 10 Jahre alt war, kam er auf das Pädagogium 
in Halle, unter die unmittelbare Leitung Franke's. Sein Aufenthalt 
in diejer Anstalt sollte für ihn eine rechte Schule der Demüthigung 
werden. Er wurde, wie es die Großmutter wünschte, von Den Lehrern 
mit großer Strenge behandelt und von der großen Mehrzahl der Schüler 
gemieden. Nur einige wenige schlossen sich ein ihn an und ließen sich 
bereit finden, mit ihm einen religiösen Verein zu bilden, den sie den 
„Senfkornorden" nannten. Die 'Mitglieder wollten die Lehre Jesu in 
Wort und Wandel treu bewahren, die Nächstenliebe ernstlich üben und 
sich die Bekehrung aller Menschen, auch Der Juden und Heiden, ange¬ 
legen sein lassen. Sie führten als Ordenszeichen einen kleinen Schild 
mit einem Christusbilde, das die Umschrift hatte: „Seine Wunden unsere 
Heiligung!" und einen Ring mit Der Inschrift: „Unser Keiner lebt ibm 
selber!
	        
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