Full text: Charakterbilder für den biblischen Geschichtsunterricht

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Prophet mit ihr rede (vgl. 1 Sam. 9). Er hatte das leichtsinnige 
Weib bis zu dem Punkte geführt, wo sie bekennen mußte: »Herr, ich 
sehe, daß du ein Prophet bist!« 
Doch alsbald wendet das eine tiefere Einkehr in sich selber scheuende 
Weltkind das Gespräch von ihrer Persönlichkeit weg aus größere und 
allgemeinere Gegenstände; diese Frau mag nicht gern bei ihrer Sünde 
stehen bleiben, und betroffen darüber, daß ein Prophet vor ihr steht 
bringt sie doch schnell gefaßt die Rede auf die Hauptfrage, um welche 
es sich damals im Verhältnis der Juden und Samariter handelte. 
Auch mochte es ihrer Eitelkeit schmeicheln, mit einem Propheten von 
den höchsten Dingen reden zu können. Im Angesicht des Berges 
Garizim sprach die Sichemitin: »Von uralten Zeiten her ist dieser 
Berg Garizim unser heiliger Berg gewesen*), und dennoch behauptet 
ihr Juden, nur Jerusalem sei der rechte Ort der Anbetung Jehovahs!« 
Da antwortete ihr der Herr: »Weib, glaube mir, es kommt eine Zeit, 
wo man weder auf diesem Berge noch zu Jerusalem anbeten, wo man 
die Verehrung Gottes nicht an einen äußern Ort binden, wo man sie 
überhaupt nicht im Äußerlichen, Sinnlichen suchen wird, sondern 
wo man Gott im Geist und in der Wahrheit, übereinstimmend mit 
Gottes Wesen, verehren wird. Denn Gott ist ein Geist, und als 
Geist ist er das allgegenwärtige und allmächtige, das reine und heilige 
Wesen (vgl. C. 3, 6), und nur dadurch, daß der Mensch auf geistige 
Weise eintritt in die Gemeinschaft mit dem Heiligen, daß er aus 
fleischlicher Lust und irdischem Sinne sich erhebt zum Wesen Gottes, 
betet er das höchste Wesen an in der That und Wahrheit. Wo eine 
solche Gottesverehrung herrscht, da ist das Reich Gottes, in welchem 
dann die Samariter nicht minder als die Juden Aufnahme finden 
können. Dennoch kann das Heil nur von den Juden kommen, denn 
diese haben die Offenbarungen Gottes im Zusammenhange fortgeleitet. 
*) Die Stadt Sichem war zwischen den beiden Anhöhen Garizim und 
Ebal erbauet. Die Samariter hatten mit Bezug auf die Stelle 5 Mos. 27, 4 
den Garizim zum Mittelpunkt ihres religiösen Kultus erkoren (dabei die Worte 
»Berg Ebal« in »Berg Garizim« verfälscht); nach dem Exil ward dort der 
samaritanische Tempel erbaut (2 Mass. 6, 2), der 200 Jahr später (c. 129 v. Chr.) 
vom Hasmonäer Joh. Hyrkanus wieder zerstört wurde. Doch blieb der Berg 
fortwährend die gewohnte Stätte der Anbetung, und noch jetzt nennen ihn die 
wenigen in Nablus übrig gebliebenen Samaritaner den heiligen und gesegneten 
Berg, und wenden beim Gebet das Gesicht nach ihm hin.
	        
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