Full text: Das Jahrhundert des Großen Kurfürsten (Bd. 1)

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Ohne bett Schweben je Ruhe zu lassen, folgte ihnen Görtzke unb 
Henning, währenb ber Kurfürst von Königsberg aus ben Marsch seiner 
Truppen so zu richten suchte, baß er Horn bett Weg nach Livlanb 
verlegte. Nur burch bie größte Eile konnte sich bieser ber brolienben 
Umgarnung entziehen, unb zweifelhaft blieb es, ob bies noch gelingen 
würbe. Der Kurfürst ließ seine Infanterie wieber in Schlitten setzen: 
an einem einzigen Tage legte bas Heer bie sechs Meilen von Königs¬ 
berg bis Labiau zurück. Hier erst blieb bie Kurfürstin, welche so 
weit bett Gemahl begleitet hatte, zurück. Von Labiau aus zog die 
branbenbnrgische Armee über bas Eis bes Kurischen Haffes weiter 
bis zur Münbung ber Gilge. Der Kurfürst, von ben Leibbragonern 
escortiert, folgte ihr einige Stunben später unb holte sie mitten 
auf dem Eise ein. Bei seiner Ankunft machten bie Regimenter Halt. 
Er fuhr bie Reihen entlang, währenb beim Schalle ber Pauken unb 
Trompeten bie Truppen präsentierten unb bie wehenben Fahnen salu¬ 
tierten. 
Görtzke hatte sich mit seinen Reitern ben Schweben, bie in unb 
um Tilsit lagerten, bis auf zwei Meilen genähert. Am Morgen bes 
30. Januar griff der wackere Henning von Treffeufelb bett Feinb mit 
nur 1000 Matttt beim Dorfe Splitter an. Die schwebischen Kürassiere 
wanbten sich Mb zur Flucht, ihre Dragoner, welche abgesessen waren 
und zu Fuße kämpften, schmählich int Stiche laffenb. Die Brauben- 
bnrger hieben nieber, was ihre Klingen erreichen konnten. Gefangene 
würben nur wenige gemacht, 8 Dragonerfahnen, 2 Pauken. 680 Ba¬ 
gagewagen unb einige hunbert mit Proviant beladene Schlitten er¬ 
beutet. Der Sieg wäre noch erfolgreicher unb ber völlige Untergang 
bes feinblichen Heeres unvermeiblich gewesen, wenn Görtzke schneller 
zur Unterstützung Hennings herbeigeeilt wäre. Er that" bies leiber 
nicht, ließ auch ben Schweben Zeit, sich von ihrer Bestürzung zu 
erholen unb ber brohenben Gefahr unter betn Schutze ber Nacht sich 
rechtzeitig zu entziehen. Sie hatten Mb einen Vorsprung von fünf 
Meilen, unb man konnte kaum hoffett, sie wieber einzuholen. Görtzke 
erreichte am folgenbett Tage ihre Nachhut unb warf sie in heftigem 
Kampfe. 1200 Schweben würben getötet, 200 bis 300 Mann ge¬ 
fangen, viele Munitions-, Proviant- unb Bagagewagen genommen. 
Horn, betn bas Pferb unter bent Leibe erschossen worben, war 
mit knapper Not ber Gefangennahme entgangen. Übrigens bezeugten 
alle Gefangenen bie traurige Lage bes schwebischen Heeres. Nur 
3000 Kampffähige sollte es noch zählen, die übrigen wären krank 
unb halb verhungert; währenb bes Marsches stürzten viele tot von 
bett Rossen. Seit zwei Tagen hätten bie Solbaten kein Brot mehr 
unb fünf Nächte hinter einanber bei grimmiger Kälte auf freiem 
Felde lagern müssen, ohne Feuer anzünben zu dürfen. In ben Ge¬ 
fechten hatten die Schweden bisher keine Geschütze eingebüßt; von nun 
an mußten sie viele berselben zurücklassen. 
Es war bem Kurfürsten gelungen, ben Schweben bie Straße zu 
verlegen, unb wenig hätte gefehlt, so wäre ihm Horn, von Görtzke 
ungestüm gebrängt, gerabc in bie Arme gelaufen. Etwas mehr als
	        
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