Full text: Bilder und Lebensbeschreibungen aus der Weltgeschichte

100 46. Roms äußere Größe und innerer Verfall zur Zeit des Augustus. 
Das Land erholte sich, und das Volk liebte ihn von Jahr zu Jahr mehr. 
Obwohl ihm die Schätze der Welt zur Verfügung standen, lebte er doch 
selber einfach und Prunklos. Dagegen liebte er es, Kunst und Wissen¬ 
schaft mit freigebiger Hand zu fördern, Gelehrte, Dichter und Geschicht¬ 
schreiber an seinen Hof zu ziehen und zu belohnen. So kommt es, daß 
Rom unter Augustus seine goldene Zeit in Kunst und Wissenschaft 
feierte. Unter den Dichtern glänzen vor allem Virgil, Horaz und 
Ovid. Rom schmückte sich mit Prachtbauten; ja Augustus konnte sich 
rühmen, er habe eine aus Lehmhäusern bestehende Stadt vorgefunden und 
hinterlasse eine marmorne. Das dankbare Volk sagte von ihm: „Augustus 
hätte entweder nie sterben oder nie geboren werden müssen." 
5. Christus geboren. Unter Augustus trat das größte aller Er¬ 
eignisse ein: Jesus Christus, der Welt Heiland, ward im Stalle 
zu Bethlehem von der Jungfrau Maria geboren. Augustus selber hatte 
dem erscheinenden König der Könige dienen müssen durch das Gebot, daß 
alle Welt geschähet würde; aber er ahnte natürlich in seinem Palaste 
zu Rom nichts von dem seligen Glanze der Weihnacht und dem herbei¬ 
kommenden Himmelreiche. 
6. Tod des Augustus (14 n. Chr.). Mächtiger als Augustus ist 
kein Sterblicher gewesen; doch recht glücklich war er nicht. Er hatte viel 
Kummer in seiner Familie. Am meisten schmerzte es ihn, daß sein Lieb¬ 
ling Marcellus, seiner Schwester Octavia Sohn, in der Blüte seiner 
Jahre hingerafft wurde. Nun ließ ihm seine Gattin, die ränkevolle 
Livia, keine Ruhe, bis er den ihm verhaßten Stiefsohn Tiberius zu 
seinem Nachfolger bestimmte.—■ Augustus starb im Jahre 14 nach Christo, 
nach 44jähriger Regierung. Kurz vor seinem Tode fragte er seine ihn 
umstehenden Freunde: „Was dünkt euch, habe ich die Rolle meines 
Lebens gut gespielt?" Als sie dies bejahten, sprach er: „Nun so klatscht 
Beifall, denn sie ist beendet!" So trostlos verschied der gepriesene Herr 
der Welt; ein Heide kann eben nicht freudig sterben. Seine Unterthanen 
versetzten ihn freilich unter die Götter und riefen jedem folgenden Kaiser 
bei seinem Regierungsantritt zu: „Sei glücklich wie Augustus!" 
Von den Kriegen, welche Augustus gegen unser Vaterland geführt 
hat, wird in der Geschichte der Deutschen die Rede sein. 
46. Noms äußere Größe nitb innerer Verfall jutr Zeit 
des Äugustils. 
1. Ausdehnung des Römerreichs. Unter Augustus hatte das römische 
Reich eine ungeheure, wenn auch noch nicht seine größte Ausdehnung. Es er¬ 
streckte sich vom Atlantischen Ocean bis zum Euphrat, vom Rhein und der Donau 
bis an die Wüste Sahara und bildete einen Kranz der schönsten und fruchtbarsten 
Länder fast rings um bas Mittelmeer. Römisch waren: bie pyrenäische Halbinsel, 
Gallien, bie Länber zwischen ben Alpen und der Donau (Rhätien, Norieum, 
Pannonien), bie apenninische Halbinsel, bic Balkanhalbinsel, Kleinasien, Syrien mit
	        
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