Full text: Bilder und Lebensbeschreibungen aus der Weltgeschichte

48. Vespasian und Titus. Zerstörung Jerusalems. 107 
die ganze Stadt der Erde gleich machen, so daß sich des Herrn Wort er¬ 
füllte: „Sie werden dich schleifen und keinen Stein auf dem andern 
lassen!" Der jüdische Staat war nun für immer vernichtet, und es be¬ 
gann die Zerstreuung der Juden unter alle Völker. — Titus hielt nach 
seiner Rückkehr in Rom mit seinem Vater zusammen einen glänzenden 
Triumphzug, wobei man unter anderem den goldenen Schaubrottisch, den 
siebenarmigen Leuchter und das Gesetzbuch als kostbare Beutestücke schaute. 
Noch heute steht in Rom als Zeuge dieses Zuges der mit den Abbildungen 
der Tempelgefäße geschmückte Triumphbogen, welcher dem Titus zu 
Ehren errichtet wurde. 
4. Kaiser Vespasian (69—79) war der erste gute Kaiser nach Augustus. 
Unter seinem kräftigen Regiment begann das arg zerrüttete römische Reich sich zu 
erholen. An diesen Kaiser erinnern noch jetzt in Rom die berühmten Trümmer des 
von ihm erbauten Kolosseums, eines Amphitheaters, welches 87000 Menschen 
fassen konnte. In diesem ungeheuren Theater wurden bei seiner Einweihung 5000 
wilde Tiere erlegt. Dieses war auch die Stätte, wo später Tausende von christ¬ 
lichen Märtyrern unter den Zähnen grimmiger Bestien verbluten mußten. 
5. Kaiser Titus (79 — 81), Vespasians Nachfolger, war ein so milder 
und guter Herrscher, daß das Volk ihn „die Liebe und Wonne des menschlichen 
Geschlechts" nannte. Selbst Unwürdigen mochte er nicht gern ihre Bitten ab¬ 
schlagen, weil, wie er sagte, von dem Kaiser niemand mit betrübtem Angesichte 
weggehen dürfe. Hatte er an einem Tage keinem Menschen eine Wohlthat erweisen 
können, so pflegte er traurig zu sagen: „Freunde, ich habe einen Tag verloren!" 
6. Verschüttung dreier Städte (79). Unter des Titus Regierung 
!and ein furchtbarer Ausbruch des Vesuv statt, durch welchen die Städte 
Hereulanum, Pompeji und Slabiä gänzlich verschüttet wurden. Der 
römische Naturforscher Plinius hat uns eine Beschreibung dieses großartigen 
Naturereignisses hinterlassen. Sein Onkel, der ältere Plinius, wollte den Ausbruch 
in der Nähe sehen und begab sich nach Stabiä, als schon Asche und Steine dicht 
öu fallen begannen und die meisten Einwohner die Flucht ergriffen. Auch in dem 
Hause des Freundes, bei welchem Plinius einkehrte, fand er alles in Angst und 
Verwirrung. Plinius ermutigte die Leute zum Bleiben und giug gelassen zur 
Ruhe, während die übrigen wachten. In der Nacht wurde der Aschen- und Stein¬ 
igen immer schrecklicher; die Erde schwankte, und das Haus drohte einzustürzen. 
Da weckte man Plinius und beschloß aufzubrechen. Jeder band zum Schutz gegen 
k'c fallenden Steine ein Kissen über den Kopf; Sklaven leuchteten mit Fackeln 
durch die Finsternis voran. Plötzlich sank Plinius tot nieder; böse Dämpfe hatten 
ihn erstickt. Die Gefährten eilten rastlos weiter; es galt, das eigene Leben zu 
retten. — Drei Tage war die ganze Landschaft in tiefe Nacht gehüllt; denn kein 
Lichtstrahl vermochte die mit Asche erfüllte Atmosphäre zu durchdringen. Als 
endlich der Aschenregen nachließ und die Sonne wieder bleich und matt am Himmel 
erschien, da deckte eine haus-, ja stellenweise turmhohe Lava- und Aschenschicht wie 
ein unheimliches Leichentuch die ganze Gegend; die genannten drei Städte aber 
waren verschwunden, so daß man auch ihre Stätte nicht mehr erkennen konnte. 
Jahrhundert aus Jahrhundert verging; nur aus Büchern wußte man noch 
von jenen schrecklichen Ereignissen. Da, im Jahre 1711, stieß man in dem Flecken 
Portici (fpr. Portitschi) beim Graben eines Brunnens ans drei Statuen. Das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.