58. Die Nibelungensage. 125
gezüchtigt hatte. Attila hatte seine Vermählung mit der schönen bnr-
gnndischen Prinzessin Hildegunde gefeiert. Am Morgen nach der Hochzeit
fand man ihn tot in seinem Zelte; neben ihm saß tief verschleiert Hilde¬
gunde. Einige sagen, er sei in der Nacht am Blutsturz gestorben, andere,
Hildegunde habe ihm den Rachestahl ins Herz gebohrt. Die trauernden
Hunnen stellten die Leiche des Königs in einem Prachtgezelt aus; dieses
umritten sie mit geschorenem Haupte und zerfetztem Antlitz, indem fie
feierliche Gesänge zum Preise des großen Toten erschallen ließen. Endlich
legten sie die Leiche in einen goldenen Sarg, umschlossen dieseu mit einem
silbernen und beide wieder mit einem eisernen. Sie begruben ihn in
stiller Mitternachtsstunde und brachten die Arbeiter um, damit niemand
ihres Heldeuköuigs Grab erfahre. — Nach dem Tode Attilas zersiel sein
weites Reich; die Hunnen wurden bis aus Schwarze Meer zurückgedrängt,
und die ihnen dienstbaren Völker, vor allen die Ostgoten, machten sich
wieder frei.
58. Die Wbellmgcnsage.
1. Siegfried tötet den Drachen. Zu Xanten am Rhein (am linsen
Ufer, westlich von Wesel) erwnchs einst ein junger Held von wunderbarer Stärke:
das war Siegfried, der Sohn des mächtigen Königs Siegmund von Niedcr-
land. Schon in jungen Jahren trieb ihn sein unbändiger Mut hinaus auf
Abenteuer. Bei dem Schmiede Minier tief im Walde nahm er Dienste, um zu
lernen, wie man gute Schwerter macht. Er schwang den Hammer so gewaltig, daß
alles Eisen zersprang und der Amboß in den Grund getrieben wurde. Da fürchtete
sich der Schmied und wollte ihn verderben; deshalb hieß er ihn Kohlen brennen an
einer Stelle im Walde, wo ein arger Drache hauste. Aber Siegfried erschlug das
Ungeheuer. In dem Blute des Drachen badete er sich, wodurch seine Haut hörnern
wurde, so daß keine Waffe ihn verletzen konnte. Nur zwischen den Schultern blieb
eine Stelle verwundbar, weil beim Baden ein Lindenblatt daraufgefallen war.
Am Abend ging Siegfried nach der Schmiede zurück unb erschlug den verräterischen
Mimer; dann schmiedete er sich selber ein Schwert und zog davon.
2. Siegfried gewinnt den Nibelungenhort. Im Lande der N i b e -
lnngen (Norwegen) wurde Siegfried von zwei Königssöhnen angefallen; er er¬
schlug sie und kam dadurch in den Besitz des unermeßlichen, aus Gold und Edel¬
steinen bestehenden Hortes (Schatzes) der Nibelungen, der in einer großen
Höhle verborgen lag. Da aber der Wächter des Hortes, der Zwergkönig Alberich,
ihm den Schatz nicht ausliefern wollte, mußte Siegfried auch ihn noch besiegen.
Der Kampf war hart; denn Alberich trug eine Tarnkappe (Kappe ^ Mantel), welche
ihn unsichtbar machte und ihm die Kraft von zwölf Männern verlieh. Endlich
jedoch gelang es Siegfried, ihm die Tarnkappe zu entreißen, und nun hatte er
leichtes Spiel. Alberich mußte ihm Treue schwören unb blieb als Wächter des
Hortes zurück; die Tarnkappe nahm ©iegfrieb mit. Er kehrte jetzt heim nach Xanten
3" feinen Eltern.
3. Siegfried bei dm Burgundern. Zu Worms herrschte damals
ket mächtige Burgunderkönig Günther. Er hatte zwei ritterliche Brüder, Gemot