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Das 19. Jahrhundert. Groth: Biographisches.
40. Ihr mit Kranz und Binsen-
körben,
Tretet in den Ring ihr Kleinen;
Singt den Reim, wiewohl ihr heute
Klüger tätet, still zu weinen.
41. Dennoch singt; den jungen Nacken
Schmerzt noch nicht das Joch der
Franken;
Singt, und mag es traurig lauten
Wie das Singen eines Kranken."
42. Und die Knaben und die Mädchen
Huben an mit leiser Stimme:
„Schirm' uns, Balder, weißer Balder,
Vor des Christengottes Grimme!
43. Komm zurück, du säumst so
lange!
Sieh, wie Erd' und Himmel klagen;
Komm zurück mit deinem Frieden
Aus dem goldnen Sonnenwagen.
44. Weißer Balder, weiße Blumen,
Wie an Bach und Rain sie sprießen,
Weiß wie deine lichten Brauen,
Legen wir dir gern zu Füßen.
45. Sieh, wir geben, was wir
haben:
Arm sind unsre Fruchtgefilde;
Laß Geringes dir genügen,
Weißer Balder, Gott der Milde.
46. Gott der Liebe, weißer Balder,
Neige hold dich unsren Grüßen:
Blumen, rein wie unsre Herzen,
Legen wir dir gern zu Füßen." —
47. Und den Opferstein umwandelnd,
Warfen sie die heil'gen Kräuter,
Lichte Glocken, lichte Flocken,
Lichte Sterne auf die Scheiter.
48. Dann mit leisen Wispelworten
Nahm die Priesterin die Schale:
„Trinkt des weißen Gottes Minne,
Eh' ihr hebt die Hand zum Mahle!"
49. Durch die Runde ging ein
Raunen
Und gedämpftes Becherklirren,
Wie in herbstlich dürrem Rohre
Abendlüfte heimlich schwirren.
50. Und der krause Opferdiener,
Ans des Kessels weitem Bauche
Gab er jedem von dem Fleische,
Von der Mistel, von dem Lauche. —
51. O, es war kein Mahl der
Freude!
Stets des Überfalls gewärtig,
Saß die Schar der Ungetauften,
Stets zum Fliehn, zum Trotzen fertig:
52. Wölfen gleich, die tief im Walde
Hastig einen Raub verzehren
Und in jedem Blätterrauschen
Hund und Jäger kommen hören. —
52. Sprach die Drude: „Dankt den
Göttern,
Löscht die Glut und nehmt die Brände:
Dunkles brütet zwischen heute
Und der nächsten Sonnenwende;
54. Denn nicht alle kommen wieder,
Und nicht jedem ist zu trauen.
Fort! die Sterne schimmern blasser,
Und der Tag beginnt zu grauen." —
55. In die Gründe glitt die Menge,
Wie verstoben, wie versunken;
Frische Morgenwinde spielten
Mit der Asche, mit den Funken.
56. Von der Sonne ersten Strahlen
Glühten rot die fernen Gipfel,
Und der Schrei der wilden Katze
Klang im höchsten Eichenwipsel.
Ulaur Groth. 1819—1899.
Werke in 4 Bänden, Kiel und Leipzig 1693.
Geb. den 24. April 1819 zu Heide in Holstein, auf dem Lehrerseminar .zu
Tondern gebildet, war anfangs Lehrer in Heide, zuletzt Professor an der Universität
in Kiel. f am 1. Juni 1899. Er wurde berühmt durch seine niederdeutschen Ge¬
dichte, die er unter dem Titel Quickborn 1852 herausgab.