85. Die Bauern. Die Klöster. Die Feme.
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allem der Kölner Dom und das Straßburger Münster, von jener Zeit.
Auch die Häuser der wohlhabenden Bürger waren sehr schön, mit zierlichen Giebeln,
Erkern und Ecktürmchen, mit Bildsäulen, Schnitzwerk und Glasmalereien geschmückt.
Die Kleiderpracht, der zur Schau getragene Schmuck an Gold und Juwelen setzte
alle Fremden in Verwunderung. Als die Königin von Frankreich in Brügge den
Auswand der Bürgerfrauen sah, rief sie aus: „Ich glaubte allein Königin zu sein,
und hier erblicke ich wohl sechshundert!" Je mehr aber die Städter sich dem
Prunke und der Üppigkeit ergaben, desto mehr ging ihnen von der Reinheit der
Sitten und der alten Kraft verloren.
85. Die Lauern. Die Klöster. Die Feme.
1. Dit Bauern. Das härteste und leidensvollste Los hatten im Mittel-
alter die Bauern. Ihre ursprüngliche Freiheit hatten sie im Laufe der Zeit fast
alle eingebüßt; sie waren jetzt Hörige der Ritter und Klöster, auf deren Gebiete
sie wohnten. Endlos waren die Abgaben und Frondienste, unter benen sie seufzten.
Führten die Ritter Fehden, so würben ihre Saaten schonungslos zerstampft, ihre
Hütten niebergebrannt. Oft würben ganze Dörfer von Raubrittern „ausgepocht";
das heißt: jene adeligen Räuber nahmen alles Vieh, Hausgerät, Betten und Kleider
mit sich fort, unbekümmert darum, was aus den Beraubten wurde. Bei bem
geringsten Vergehen mußte ber Bauer ber härtesten unb entehreubsten Strafen ge¬
wärtig fein; für ihn aber gab es keinen Schutz, wenn ihm sein Gutsherr auch bas
himmelschreiendste Unrecht zufügte. Oft empörten sich bie Gequälten; aber ihr Los
wurde in der Regel dadurch nur schlimmer. Manche Bauern erlangten indes die
Freiheit, indem sie das Kreuz nahmen; andere entflohen ihren Herren, um als
Pfahlbürger im Schutze einer Stadt zu leben. Durch solche Flüchtlinge wurde
auch die Lage der Zurückbleibenden etwas gebessert, da die Herren fürchten mußten,
daß sie sonst dem gegebenen Beispiele folgten. Wo es noch freie Bauern gab, da
waren sie den weltlichen und geistlichen Herren ein Dorn im Auge, und sie mußten
die schwersten Kämpfe bestehen, um das Kleinod ihrer alten Freiheit zu behaupten.
Am besten gelang solches den Schweizer Bauern und an der Norbsee ben Friesen und
Dithmarschen.
2. Die Klöster. Groß war im Mittelalter die Zahl der Klöster. Alle
Mönche mußten das dreifache Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Ge¬
horsams ablegen und aus Lebenszeit dem Orben angehören. Ihre Beschäftigung
sollte, abgesehen vom Gottesbienst unb Gebet, in Handarbeit, Ackerbau, Jugenderziehung
unb Stubium bestehen. Solange bie Klöster blühten, waren sie Stätten bes Segens;
sie gewährten in verwitterten Zeiten ber verfolgten Unschuld eine Zuflucht, Reifenden
Herberge, Armen Speise, den Wissenschaften eine Pflegestätte. Als aber die Klöster
reich wurden — denn wenn auch der einzelne Mönch kein Vermögen besitzen durste,
so nahm doch das Kloster Schenkungen an — da ergaben sich ihre Bewohner dem
Müßiggänge, der Schwelgerei und den unsaubersten Lastern. Von Zeit zu Zeit
traten ernste Männer auf, welche die Klöster zur alten Reinheit und Zucht zurück¬
zuführen suchten; aber die ausgetriebenen bösen Geister schlichen immer bald wieder
ein. — Ant einflußreichsten unter allen Mönchsorden wurden die Bettelorden der
Franziskaner und Dominikaner. Sie wollten außer von ihrer Hände Arbeit