Full text: Bilder und Lebensbeschreibungen aus der Weltgeschichte

316 . 143. Schreckenszeit. Direktorialregierung. 
sie der Übermacht, und nun durchstreiften sogenannte höllische Kolonnen 
mordend und sengend das Land und ließen nichts hinter sich zurück als 
Asche und Leichen. Tausende von Vendeern wurden nach Nantes ge¬ 
schleppt, wohin der Konvent den blutdürstigen Carrier (spr. Karrieh) 
gesandt hatte, um alles zu erwürgen, was ihm verdächtig schiene. Da 
diesem Schlächter die Guillotine zu langsam arbeitete, so lud er seine Opfer 
auf Fahrzeuge, welche Klappen in ihren Böden hatten, und ersäufte sie zu 
Hunderten auf einmal in der Loire. Das nannte er „republikanisch taufen" 
oder „aus der großen Schale trinken lassen". Ähnliche Greuel begingen 
andere Abgesandte des Konvents in Lyon (Liong), Bordeaux (Bordoh), 
Marseille (Marßäj'), Toulon (Tnlong) und andern Städten, welche 
sich gegen die Herrschaft der Schreckensmänner erhoben hatten. Wie 
Tiger wüteten sie und tränkten den Boden Frankreichs mit Strömen un¬ 
schuldig vergossenen Blutes. Toulon nahm englische Truppen auf und 
konnte erst nach längerer Belagerung von dem Revolntionsheere ein¬ 
genommen werden. Die Franzosen vernahmen damals, daß die Eroberung 
dieser Stadt hauptsächlich einem jungen Artilleriehauptmann, namens 
Napoleon Bonaparte, zu verdanken sei. 
4. Abschaffung der Religion. Eins war den triumphierenden Ja¬ 
kobinern noch immer sehr im Wege, nämlich die Religion. Was sollte 
einmal aus ihnen werden, wenn es einen Gott gab! In ihrem Wahnsinn 
beschlossen sie, den König des Himmels ebenso zu entthronen, wie den von 
Frankreich. Zuerst hobeu sie die christliche Zeitrechnung auf und zählten 
die Jahre anstatt von Christi Geburt von der Einführung der Republik 
in Frankreich. Demgemäß begann das Jahr eins mit dem 22. September 
1792. Dann strichen sie die Sonntage und machten dasür jeden zehnten 
Tag zu einem Festtage. Endlich erklärte der Konvent die ganze christ¬ 
liche Religion geradezu für abgeschafft; hinfort fei allein die Ver¬ 
nunft als Gottheit zu verehren, was am besten unter dem Bilde eines 
Frauenzimmers geschehe. In Paris setzte man eine Opernsängerin ans 
den Altar der Kirche Notre Dame (Nottr' Dahm) und umtanzte sie als 
Göttin der Vernunft. Die Provinzen machten's nach. An vielen Orten 
entweihte man die Kirchen, schmückte Esel mit Meßgewändern, band ihnen 
Bibeln an den Schwanz, um sie durch den Kot ziehen zu lassen, foff aus 
den Abendmahlskelchen Branntwein und trug in den Hostiengefäßen 
Heringe auf. Eine schauerliche Roheit griff um sich. Nach einem halben 
Jahre fand Robespierre es übrigens für gut, wieder durch den Konvent 
beschließen zu lassen, daß es doch einen Gott gebe! 
5. Der Höhepunkt des Schreckens. Danton schien des Mordens 
müde und zur Mäßigung geneigt. Da brachte Robespierre auch ihn auss 
Schafott. Als er zum Richtplatz geführt wurde, rief er aus: „Robes¬ 
pierre wird mir folgen; ich ziehe den Feigling nach mir!" Robespierre 
stand nun als Herr der Republik da, und die Schreckenszeit erreichte ihren 
Höhepunkt. Täglich führten Karren, vom Volke „rollende Särge" genannt, 
zahlreiche Opfer zum Richtplatze, wo der entmenschte Pöbel sich an der 
Todesqual der Opfer weidete. Schon eine Thräne, die jemand bei der 
Hinrichtung eines teuren Angehörigen weinte, konnte den Tod bringen; 
keiner war mehr feines Lebens sicher.
	        
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