Full text: Bilder und Lebensbeschreibungen aus der Weltgeschichte

157. Friedrich Wilhelm IV. Stürme des Jahres 1848. 349 
sinnige Verfassung. Das war am 18. März 1848. Nun sammelte 
sich eine ungeheure Volksmenge vor seinem Schlosse in Berlin, um ihm 
mit lautem Jubel zu danken, und der König erschien auf dem Balkon und 
grüßte freundlich. Plötzlich fielen zwei Schüsse, von wem, weiß man 
nicht. Sie trafen auch niemanden, hatten aber dennoch eine unglaubliche 
Wirkung. „Mord! Verrat! zu den Waffen!" schrie man; der Menschen¬ 
hause stob auseinander und baute Barrikaden. Bald entbrannte ein 
wütender Straßenkamps zwischen Volk und Militär. Die ganze 
Nacht wogte der Streit; schauerlich heulten die Sturmglocken dazu von 
den Türmen. Keiuer war betrübter als der gute König. Als der 
Morgen des 19. März anbrach, waren seine Truppen an allen Punkten 
Sieger. Dennoch beschloß er, zur Beruhigung des aufgeregten Volkes das 
Militär aus der Stadt zu entfernen. Der Pöbel höhnte, als es ab¬ 
marschierte, und mancher brave Soldat hätte vor Zorn und Ingrimm 
weinen mögen. Nun berief der König eine Nationalversammlung nach 
Berlin, um mit derselben eine neue Verfassung zu beraten. Diese Ver¬ 
sammlung wurde aber bald so frech, daß gar nicht mit ihr auszukommen 
war. Da ermannte sich der König, ließ wieder Militär einrücken und 
löste die Nationalversammlung auf. 
4. Die preußische Konstitution (1850). Hierauf entwarf der 
König selbst eine neue freisinnige Verfassung (Konstitution). Diese wurde 
auch vom ganzen Lande angenommen und 1850 vom Könige selbst be¬ 
schworen. Gemäß dieser Verfassung versammeln sich nun jedes Jahr in 
Berlin die beiden Kammern, von welchen die erste das Herrenhaus, 
diezweite das Abgeordnetenhaus heißt. Beide Versammlungen beraten 
die Gesetze, welche der König ihnen durch seine Minister vorlegen läßt, 
und ohne ihre Zustimmung kann kein neues Gesetz gegeben, noch ein be¬ 
stehendes aufgehoben oder geändert werden. Anderseits gelten natürlich 
auch die Beschlüsse der Kammern nicht, sobald der König sie verwirft; 
ja, der König kann ein Abgeordnetenhaus, mit welchem er unzufrieden ist, 
ganz auflösen und das Volk auffordern, neue Vertreter zu wählen. Alle 
drei Jahre muß ohnehin eine Neuwahl stattfinden. 
5. Dlls 9ieich3|)öl1ommt Während die Einzelstaaten freie Ver¬ 
fassungen errangen, vergaß man daneben die gemeinsamen Angelegenheiten 
nicht. „Jetzt müssen wir wieder ein einiges, starkes Reich haben!" hieß es. 
Die Fürsten, welche fast alle den Kopf verloren hatten, machten gute 
Miene zum bösen Spiele, und am 18. Mai 1848 trat in der Paulskirche 
zu Frankfurt ein deutsches Parlament zusammen, um die Verfassung 
für das neu zu gründende Reich zu beraten. Dieses Reichsparlament 
bestand aus 550 vom Volke frei gewählten Abgeordneten aus allen 
Gauen Deutschlands. Unter ihnen waren viele kluge und wackere Männer, 
aber auch schlechte, die alles über den Haufen stürzen wollten. Ganz 
Deutschland war gespannt, was das Parlament thun werde, um das 
Vaterland zu beglücken. Das erste war, daß, es den Bundestag ab¬ 
schaffte und den Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsver¬ 
weser ernannte. Er sollte also Deutschland einstweilen regieren, bis ein 
Kaiser gewählt wäre. Unter großem Jubel des Volkes hielt Johann, ein
	        
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