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aber blieb an einem Feigenbäume hängen und staub, als das Wasser sich
verlaufen hatte, ans dem Trockenen. Eine Wölfin erbarmte sich ber
iü einen beit Kleinen unb säugte sie. So saub sie bet Hirt Faustulus. Mit-
leibig brachte er die hülslosen Kinder seiner Frau, unb in seiner Hirten¬
hütte wuchsen sie heran. — Als bie Brüber kräftige Jünglinge geworden
waren, bekam einst Remns Streit mit Nnmitors Hirten; er wurde er¬
griffen und vor Nnmitor geführt. Da fürchtete Faustulus, der Großvater
möchte dem eigenen Enkel ein Leid thun; deshalb eilte er mit Romulus
zu ihm und offenbarte ihm die Herkunft und wunderbare Rettung der
Zwillinge. Das gab ein freudiges Erkennen zwischen Großvater und
Enkelü. Sofort beschlossen die kühnen Jünglinge, ihren Großvater
Numitor an dem Räuber feines Thrones zu rächen. Mit einer Schar
verwegener Freunde drangen sie in die Stadt Albalonga, erschlugen
den Amulius und setzten Numitor in die ihm gebührende Herrschaft
wieder ein.
3. Gründung Roms (753 v. Chr.) Zum Danke erlaubte der
Großvater feinen Enkeln, an den Ufern des Tiber eine Stadt zu bauen.
So legten fie denn auf bem Palatinischen Hügel ben Grnnb zu betn nach¬
mals weltbeherrschenben Rom. Überaus einfach war eine solche (Städte-
grüubung. Romulus zog mittels eines mit Weißen Rinbern bespannten
Pfluges im Viereck eine Furche; wo ein Thor sein sollte, hob er den Pflug
auf. An Stelle der Furche wurde dann allmählich ein Wall aufgeworfen,
während der innere Raum sich mit bunt durcheinander liegenden, mit
Schilf und Stroh gedeckten Lehmhütten anfüllte, die den neuen Bürgern
zur Wohnung dienten. Kaum war der Bau vollendet, so entstand unter
beit Britbent ein Streit, wer von ihnen bie neue Stabt benennen unb als
König beherrschen solle. Auf ihres Großvaters Anraten beschlossen sie,
bie Götter entscheiden zu lassen. Zu dem Ende stellte sich jeder der beiden
ans einem Hügel auf, um ans den Flug der Vögel zu achten. Remns
erblickte zuerst sechs Geier, gleich darauf aber Romulus zwölf. Wer
sollte nun König fein? „Ich habe die ersten Vögel erschaut!" sagte
Remns. „Ich die doppelte Anzahl!" entgegnete Romulus. Vom Wort¬
streit schritten die wilden Zwillinge zum Waffenkampf, und Remns fiel
von Bruderhand. Andere erzählen, Remns fei spottend über die niedrige
Stadtmauer gesprungen, unb deshalb habe ihn Romulus erschlagen mit
den Worten: „So ergehe es jedem, der über meine Mauer springt!"
Romulus war nun unbestrittener Herr der neuen Stadt und nannte sie
uach seinem Namen Rom.
4. Romulus als König. Bald zählte Rom 3 300 kriegstüchtige
Männer. Um dieses zum Teil rohe Volk im Zaum zu halten, umgab
sich Romulus mit einer Leibwache von 300 Reitern, aus welcher sich der
römische Ritterstand entwickelt hat. Wenn er öffentlich erschien, schritten
zwölf Gerichtsdiener oder Liktoren vor ihm her; sie trugen Rutenbündel
und Beile und vollzogen etwa nötige Strafen auf der Stelle. Aus den
ungesehensten und erfahrensten Männern bildete Romulus den Senat,
b- h. den Rat der Alten, der mit ihm das Beste des Staates beraten sollte.
Dieser Senat bestand anfangs aus 100, später aus 200 und endlich aus
Kaiser, Weltgeschichte. 5