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dazu erkaufen. Ja, oft wurden sie unter schlechtem oder nichtigem Vor-
wand „abgemeiert" d. h. von ihrem väterlichen Hof vertrieben, und
dieser mit dem des Gutsherrn vereinigt. Ganze Dörfer wurden auf
diese Weise ausgerottet; man nannte das „einen Ort legen". Beson-
ders häufig übten die Klöster solche Kunst. Wo einst z. B. die Ort-
schaften Kaun um, Othenrode, Marquarderode lagen, da bil-
dete das Kloster Riddagsh ausen bei Braunschweig seine Feld-
marken;Königsdorf,Opperfeldeund andere Ortschaften wur-
den vom Kloster M a r i e n t h a l bei Helmstedt verschlungen.
So war gegen das Ende des Mittelalters der Bauernstand bis
zum äußersten Elend herabgekommen, und blutige Aufstände, z. B. der
Bauernkrieg, waren die Folge davon. Daß es in dieser Beziehung bei
uns nicht so schlimm geworden ist, wie z. B. in dem benachbarten
Meyenburg, wo die großen Rittergüter aus niedergelegten Bauer-
Höfen zusammengebracht sind, daß also bei uns noch ein kräftiger Bauern-
stand vorhanden ist, das haben wir den früheren Fürsten unseres Lan-
des zu verdanken, welche gegen das Niederlegen der Bauerhöfe die
schärfsten Gesetze gaben: und ebenso wurde verboten, mehrere Höfe zu-
sammenzulegen, um etwa daraus eine größere Besitzung zu bilden.
Es mögen hier besonders die beiden ausgezeichneten braunschweigischen
Herzöge Julius und sein Sohn Heinrich Julius aus der zweiten
Hälfte des 16ten Jahrhunderts genannt werden, welche sich zuerst der
armen Bauern erbarmten. Während noch Herzog Erich der Aeltere
von Kalenberg 1526 ausdrücklich anerkannt hatte „ein jeder geistlick oder
weltlick mag seiner meiger mechtich sin to fetten unde to entfetten", so
wurde, als Kalenberg an Herzog Julius von Braunschweig gefallen
war, auf einem Tage zu Pattensen (1542) bestimmt, daß der Meier
nur dann abzusetzen sei, wenn er sich in der Bezahlung des Zinses
säumig erzeige, das Gut verwüste oder aus ihm versetze und verkaufe
und auf ähnliche Art das Land misbrauche. Ausführlichere und ge-
nauere Bestimmungen wurden unter Heinrich Julius für die braun-
schweigischen Lande auf dem Tage zu Gandersheim 1597 gegeben. Das
ist der Anfang einer besseren Zeit für unser Landvolk geworden.
Schon so lange unsere Vorfahren frei gewesen waren, war es
Sitte gewesen, den väterlichen Hof nicht zu zertheilen; als sie aber
unfrei wurden, da verbot der Gutsherr, der es natürlich lieber nur mit
einem zu chun hatte, solche Theilungen, und die Regierung hat diese
Bestimmung, wo sie zur Geltung durchgedrungen war, bis heute aus-
recht erhalten. Es wird also der Hof nur auf einen Sohn, den sogenann-
ten Anerben, vererbt, die Töchter und übrigen Söhne müssen sich mit
einer mäßigen Abfindung begnügen. In einzelnen Gegenden hat der
Vater die Wahl unter den Söhnen, in den meisten folgt der älteste, in
wenigen der jüngste Sohn. Es ist jedoch zu bemerken, daß in den-
jenigen Landestheilen, welche schon früher einmal preußisch gewesen sind,
nämlich im Fürstenthum Ostsriesland und auf dem Eichsfeld, das Eigen-
thum frei veräußerlich ist, und daß in einzelnen Landestheilen neben
gebundenem Eigenthum sich sehr viel frei veräußerliches findet. So
sind z. B. in den Fürstentümern Göttingen und Grubenhagen von
sämmtlichen Höfen und Stellen nur 40°/o gebunden; im Fürstenthum
Lüneburg dagegen sind etwa 95°/o untheilbar. Die Richtung unserer
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