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Tod ereilte ihn in der Fülle seiner Kraft, in seinem 34. Lebens¬
jahre bei Cosenza am Flusse Bnsento. Diesen mußten römische
Gefangene ableiten und in dem trockenen Bette ein Grab öffnen.
Den toten König, der in der Rüstung auf seinem Streitrosse saß,
samt vielen Kostbarkeiten versenkten die Goten in die Tiefe des
Grabes und leiteten den Flnß wieder darüber hin. Damit aber
niemand erfahre, wo der große Tote ruhe, damit nicht schnöde
Habsucht ihn in seiner Grabesruhe störe, wurden alle jene Ge¬
fangenen umgebracht *)
Bald nachher wanderten die Westgoten nach Gallien. Im
südlichen Gallien, an der unteren Rhone und der oberen Garonne,
gründeten sie das Westgotenreich mit der Hauptstadt Toulouse.'
Spater zog ein Teil der Westgoten über die Pyrenäen nach Spanien.
Der Ostgotenkönig Theodorich (um 500) eroberte Oberitalien
und machte Verona zu seiner Hauptstadt. In der deutschen Sage
heißt er Dietrich von Bern (= Verona).
Als Knabe lebte er eine Zeitlang in Konstantinopel, am Hofe
des oströmischen Kaisers. Fleißig benützte er hier die oielfache
Gelegenheit, seinen Geist auszubilden. Durch das üppige Leben
der Hauptstadt ließ er sich nicht verführen, sondern folgte stets
den einfachen und strengen Sitten seines eigenen Volkes. Zum
Jüngling herangereift und König der Ostgoten geworden, führte
er fein gesamtes Volk nach dem fruchtbaren Italien.
Das beherrschte damals ein deutscher Fürst, Odoaker mit
Namen. Er hatte den letzten römischen Kaiser Romulns Augu-
stulus im Jahre 476 vom Throne gestoßen. Drei Jahre lang
leistete er in seiner festen Stadt Ravenna Tueodorich den kräftig'
sten Widerstand. Endlich mußte er die Thore öffnen und wurde
bald darauf von dem Sieger bei einem Gastmahle ermordet.
Die fernere Regierung Theodorichs war milde und friedlich*.
Für seine Goten nahm er nur ein Drittel des italienischen Bo¬
dens. zwei Dritteile ließ er den Eingeborenen. Niemals duldete
er eine Unterdrückung seiner Unterthanen, manche erhielten sogar
einflußreiche Staatsämter. Um den Ackerbau zu heben, ließ er
große Strecken sumpfigen Landes trocken legen. Städte, wie
Ravenna und Verona verschönerte er durch prächtige Bauten.
Eine Reihe neugebauter Festungen verschaffte dem Lande Sicher¬
heit, wodurch auch Handel und Gewerbe wiederum in Blüte
kamen. Die Gesetze wurden strenge gehandhabt, damit den strei¬
tenden Parteien zum Recht verhelfen und ein gesetzlicher Zustand
in feinen Ländern herbeigeführt werde. An Eroberungen dachte
er nicht weiter. „Mögen andere in Eroberungen ihren Stolz
sehen," sprach er, „wir sind glücklich, wenn sich die Völker bekla-
*) Vergl. im Anhang das Gedicht: Das Grab im Bnsento.