Full text: Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte

— 209 — 
Unter solchen Borbereitungen kam der Festtag heran. Hundert, 
nach anderen Angaben sogar fünfhundert junge Mädchen schmückten 
sich mit weißen Kleidern, trugen grüne Kronen aus dem Kopfe 
und Blumensträuße in der Hand. Sie bildeten die Spitze des 
Festzuges, an dem Beamte und Bürger, die verschiedenen Vereine 
zu Pferd und zu Fuß teilnahmen. Langsam, begleitet von einer 
großen Volksmenge, bewegte sich der Zug ~ die Göttin der Ver¬ 
nunft, dargestellt durch ein Colmarer Mädchen in der Mitte — 
dem Vernunfttempel zu. Kaum hatte aber die Festceremonie 
begonnen, da ergriff die Flamme, die oben auf dem Berge loderte, 
das Gestell. Auch die grünen Tücher wurden von dem Feuer erfaßt, 
welche die Seiten des Berges bedeckten. Nur mit Mühe konnte 
es gelöscht werden. 
Als die Musik verrauscht war, ertönte ein französischer Lob- 
gefang auf die Freiheit. Darauf feierte ein Redner die Vernunft. 
Er forderte namentlich die Abschaffung des bisherigen religiösen 
Aberglaubens. Noch zwei Männer und auch ein Mädchen hielten 
Reden. Zum Schlüsse sangen Jungfrauen am Fuße des Berges 
ein vom Dichter Pfeffel gedichtetes Lied zum Lobe der Vernunft. 
Abends fanden verschiedene Tanzbelustiguugen statt. Alle Welt 
beteiligte sich daran; viele thaten es gewiß nur mit innerem 
Widerstreben. Aber sie wollten durch ihr Fernbleiben nicht in 
Verdacht geraten. Denn eine Anzeige hätte sofortige Einkerkerung 
zur Folge gehabt. 
Wie in Colmar, verlief diese lächerliche Feier auch iu anderen 
elsässischen Städten. 
Die beiden Gewalthaber Robespierre und Danton wurden 
uneinig, und letzterer wurde guillotiniert aus Betreiben Robes- 
pierres, der drei Monate darnach durch die Jakobiner gleichfalls 
aufs Schaffst gebracht wurde. Die gemäßigten Republikaner 
gewannen nun allmählich die Oberband; der Jakobinerklub wurde 
aufgelöst, und (am 23. September) 1795 erhielt Frankreich eine 
neue Verfassung*). Fünf Direktoren mit den Vertretern des Volkes, 
nämlich dem Rate der Alten und dem Rate der Fünfhundert, 
sollten die Regieruugsgeschäste besorgen. 
Ungeachtet der fortwährenden Unruhen in Paris hatte der 
Konvent Sorge dafür getragen, daß der Krieg gegen die äußeren 
Feinde mit allem Nachdrucke geführt wurde. Nach der Hinrichtung 
des Königs hatten, England, Holland, Sardinien und Spanien sich 
dem Bunde von Österreich und Preußen angeschlossen. Die Fran¬ 
zosen kämpften Überall siegreich und eroberten das deutsche Gebiet 
auf dem linken Rheinufer, sowie Holland, aus dem die Batavische 
Republik gemacht wurde. Nachdem Preußen und Spanien (1795) 
*) Die dritte; die zweite, welche der Konvent im Jahre 1793 zu stände 
gebracht hatte war nicht in Wirksamkeit getreten. 
B. Erzählungen aus der Weltgeschichte. 14
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.