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einer Buße auferlegt. Mit diesem Beharren im Witwenstande
sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß dem Gatten die Treue
auch übers Grab hinaus gewahrt werden sollte. Und wenn
Kriemhild in der Sage eine zweite Ehe einging, so geschah es nur,
um Siegfrieds Tod besser rächeu zu können, um auch in der Rache
ihrem Gemahl Treue zu beweisen.
Der Stoz und die Freude des germanischen Hauses waren
die Kinder; doch bezogen sich die Vaterfreuden in erster Linie auf
die Knaben, auf die Mädchen erst dann, wenn auch jene vorhanden
waren. Der Vater besaß über die Kinder die strenge Eigentumsgewalt,
er konnte sie aussetzen lassen, was in ältester Zeit mit Mädchen
nicht selten vorgenommen wurde. Doch waren auch hierin zur
Römerzeit schon mildere Sitten vorherrschend, und das Aussetzungs¬
recht war wesentlich eingeschränkt. Die germanischen Kinder zeich¬
neten sich im allgemeinen durch Kraft und Gesundheit aus, die
durch die Erziehung gefestigt wurde. Sie hielten sich fast immer
im Freien auf, tummelten sich gern in Hof und Feld, badeteu
fleißig, waren oft nur wenig bekleidet und gewöhnten sich dadurch
frühzeitig cm das rauhe Klima. In der Namengebung, die
einige Tage nach der Geburt unter Wasserbegießung erfolgte, war
die Zugehörigkeit zur Sippe zu erkennen, vor allem kam aber
dabei die Erinnerung an Kampf und Sieg zum Ausdruck. Die
Silben gunt, hilt, Held, hart, fwint, muot, grim weisen auf Kampf
und Krieg hin, z. B. Gunter, Hartmut, Hartwig; gis, geis, ger,
z. V. in Gerhard, Geiserich, erinnern an den Speer, sahs, brant,
Hern, z. V. in Hildebrand (Kampfschwert), an das Schwert, lint an
den Lindenschild. Auch die Mädchen erhielten gar oft recht kampf¬
trotzige Namen, z. V. Hildegund (Kampfkampf), Kriemhild (Helm¬
kampf), Hildegard. Andere weisen auf die strahlende Sonne, auf
den lichten Tag, auf glänzende Waffen hin und wollen die Freude
am Licht uud am Schönen zum Ausdruck bringen, z. V. Suuigilt.
Auch die Tiere des Waldes, an denen die Germanen so gern ihre
Kraft erprobten, kehren in Personennamen vielfach wieder, z. V. in
Eberhard. Ihre große Mannigfaltigkeit erfuhr später, als mit
dem Christentum sich biblische Namen einbürgerten, nach und
nach eine Beschränkung. Die heute gebräuchlichen Familiennamen
mit ihren Vornamen kamen erst im späteren Mittelalter auf.
Wie schon die Namen an Krieg nnd Waffenklang erinnern,
so lief auf Wehrhaftmachung namentlich die Erziehung der
Knaben hinaus. Nicht auf der Schulbank, aber im Laufen und