Full text: Bis zum Interregnum (Teil 1)

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Werra herrschten die Thüringer, die alten Hermunduren. Aus 
Böhmen waren die Markomannen in das verheerte, frei ge¬ 
wordene Donau- und Alpengebiet eingerückt und erhielten dort 
als Bewohner des Bojerlandes den neuen Namen Bajuwaren, 
später Bayern. Ihre westlichen Nachbarn zu beiden Seiten des 
Rheins waren die Alamannen oder Sweben, von denen nördlich 
am mittleren und unteren Rhein die Franken wohnten. Zwischen 
ihnen und den Thüringern dehnte sich das Gebiet der Hessen 
aus. Diese Verteilung der deutschen Stämme blieb für die Folge¬ 
zeit maßgebend, und die deutsche Geographie erinnert daran 
noch heute. 
b) Ursache der Wanderungen. Die durch viele Jahrhunderte 
nach Zeiten der Ruhe immer wiederkehrenden Wanderungen lassen 
unsere Vorfahren als ein unruhiges Volk erscheinen, das keine 
Neigung zu seßhafter friedlicher Arbeit hatte. Es will uns scheinen, 
als habe den Germanen aller Sinn für eine Heimat gefehlt, als 
habe alles Fremde eine besondere Anziehungskraft auf sie aus¬ 
geübt. Fast kommen sie uns als Eroberer nnd Abenteurer vor, 
die auf Raub und Beute auszogen. Und doch war dem nicht so. 
Die Germanen waren, wie mehrfach erwähnt worden ist, Vieh¬ 
züchter und Ackerbauer; aber ihr Ackerbau war noch unvollkommen, 
und unermeßliche Strecken des deutschen Bodens nahm noch der 
Urwald ein. Die Masse des Volkes aber wnchs von Jahrzehnt 
zu Jahrzehnt, ungeheuer war die Volksvermehrung. Das Land 
vermochte daher das Volk nicht zu ernähren, und die Germanen 
waren gezwungen, sich auszubreiten. Nicht Mutwille war's also, 
der sie zur Auswanderung veranlaßte, sondern die Not, die Land¬ 
not, der Mangel an ausreichendem anbaufähigem Ackerboden. 
Ganz besonders fühlbar wurde die Landnot in den ersten Jahr¬ 
hunderten nach Chr. Nach der ersten großen Wanderung, die 
durch Cäsar zum Stillstand gekommen war, mußten die Germanen, 
da sie am Überfluten des Rheins und der Donau verhindert 
wurden, zu größerer Seßhaftigkeit und zu verbesserter Boden- 
ausnutzung übergehen. Dadurch erzielten sie größere Mengen an 
Körnerfrüchten, was auch eine bessere Ernährung des Volkes er¬ 
möglichte. Dazu kam, daß auf die ersten Kämpfe mit den Römern 
zur Zeit des Kaisers Auguftus eine längere Zeit des Friedens 
folgte. Die bessere Ernährung und die Zeit der Ruhe hatten zur 
Folge, daß Germanien nach etlichen Menschenaltern übervölkert 
war, und die erneut hervortretende Landnot veranlaßte daher 
Pähold, Lehrbuch der Geschichte. I. Teil. 5
	        
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