36. Totila, der große Gotenheld. 275
Opfer der Reiche eines seiner Leibwächter, den er unwissentlich
beleidigt hatte. Ein Gewaltherrscher, Namens Erarich, der
nicht einmal Gote, sondern Rüge war, und sich nach Hildi-
bads jähem Tode in der allgemeinen Verwirrung des Königs¬
throns bemächtigte, verrichtete keine rühmlichen Thaten und
wollte sogar die Goten an den Kaiser verraten. Der Elende
wurde aber getötet, und die Goten erwählten den Bruder¬
sohn des ermordeten Hildibad, den herrlichen Helden Totila
zu ihrem Könige, der im Herbst des Jahres 541 mit starker
Hand die Zügel der Herrschaft ergriff. Die Krone, die man
ihm bot, war wahrlich eine schwere, hoffnungsarme, und der
Krieg, zu dessen Führung er sich verpflichtete, der schwierigste,
den es geben konnte. Aber der thalkräftige und vaterlands¬
liebende Mann besann sich keinen Augenblick, zu thun, was
nur in seinen Kräften stand; und was er im Verlaufe seiner
zehnjährigen Regierung für sein Volk gethan hat, das erfüllt
noch heute jedes Lesers Herz mit tiefer Bewunderung für
diesen edlen, weisen und tapferen König, in dem sich Milde
und Güte mit dem höchsten Heldenmute paarten.
Auf die Kunde von Totilas Erhebung vereinigten sich die
kaiserlichen Feldherren und zogen vor Verona, um diese wich¬
tige Stadt zuerst den Goten zu entreißen. Da aber eilte
Totila herbei, sprach seinen Kriegern in einer herrlichen Rede
unwiderstehlichen Mut ein und jagte mit seiner begeisterten
Schar den an Zahl doppelt überlegenen Feind nach allen
Winden auseinander. Sämtliche Feldzeichen der Geschlagenen
wurden erbeutet, eine Schmach, die seit der Varusschlacht kein
römisches Heer erlitt. Auch eine zweite Schlacht endete mit einer
schimpflichen Niederlage der Kaiserlichen. Das ganze römische
Heer löste sich in wilder Flucht auf und suchte hinter den
Mauern fester Städte Schutz. Der edle König aber behan¬
delte alle Gefangenen mit solcher Milde, daß selbst viele Feinde,
voll Bewunderung für solche Seelengröße, zu ihm übertraten.
Darauf durchzog er Italien bis über den Tiberstrom, eroberte
alle Festen, an denen er vorüberkam, und wendete sich, ohne
Rom zu berühren, nach Kampanien. In der Burg Cumä,
die er einnahm, befanden sich die Frauen mehrerer Senatoren.
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