Full text: Die alten Deutschen während der Urzeit und Völkerwanderung

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36. Totila, der große Gotenheld. 
Am nächsten Tage berief der König alle seine Goten vor 
sich und sprach Worte zu ihnen, die ihm zu hoher Ehre ge¬ 
reichen. Er stellte ihnen vor, wie sie, ein kleiner Rest des 
großen Gotenvolkes, mit Gottes Beistand überall die Feinde 
bezwungen hätten, und ermahnte sie, dafür in Demut dem 
Allmächtigen zu danken und durch Güte und Gerechtigkeit 
gegen die Unterworfenen Gottes Gnade zu verdienen. Anders 
sprach er zu den römischen Senatoren, denen er in ernster 
Rede ihren schnöden Undank vorhielt; nur Wohlthaten hätten 
sie von Theoderich und seinen Nachfolgern genossen, und mit 
nichts hätten sie ihren Wohlthätern vergolten als mit Abfall 
und Lerrat. Zitternd standen die so Angeredeten vor dem 
zürnenden Herrscher und mußten kein Wort zu ihrer Verteidigung 
vorzubringen. Pelagius aber legte Fürbitte ein, bis der edle 
Fürst auch hier Schonung und Milde übte und die tiefgebeugten 
Männer durch freundlichen Zuspruch wieder aufrichtete. Hierauf 
sandte er an den Kaiser Justinian einen Brief, welcher also 
lautete: „Wir bitten dich, der Menschheit den holden Frieden 
zu gewähren. Erinnere dich an deinen Vorgänger, den Kaiser 
Anastasius, und an unfern großen König Theoderich, zwei der 
weisesten und besten Fürsten, die vor allen andern Gütern den 
Frieden als das herrlichste gepflegt haben. Handelst du ebenso, 
so werden wir gern deine treuen Bundesgenossen sein, gegen 
wen es auch sei." Das war gewiß ein edles Wort, aber der 
herzlose Justinian blieb gegen solche erhabene Gesinnung un- 
empsindlich. Alles, was er erwiderte, war: „Belisar hat meine 
unumschränkte Vollmacht. Wende dich an ihn, wenn du unter¬ 
handeln willst." 
Entrüstet über diese gefühllose Antwort wollte Totila die 
Mauern Roms gänzlich niederreißen lassen. Doch besänftigte 
sich sein Zorn bald, und er befahl der Zerstörung Einhalt 
zu thun, als kaum der dritte Teil der Befestigungen vernichtet 
war. Wie die Zukunft lehrte, war dies ein verhängnisschwerer 
Fehler. Kaum nämlich hatte Totila Rom verlassen, um nun¬ 
mehr Ravenna, die Stadt Theoderichs, Italiens stärkste Fe¬ 
stung, wieder in seine Gewalt zu bringen, da rückte Belisar 
in die leere Stadt ein, ließ die Lücken in den Mauern, so
	        
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