Full text: Die alten Deutschen während der Urzeit und Völkerwanderung

328 40. Fall des Langobardenreiches nnd Sage von Desiderius. 
Hand den hochragenden eisernen Speer. Auch das Roß, das 
er ritt, schien eisern an Mut und an Farbe. Und alle, die 
ihn umgaben, waren aus gleiche Weise ausgerüstet wie er. 
Eisen erfüllte die Felder und Straßen; die Sonnenstrahlen 
brachen sich in dem Glanze des Eisens. Das alles sah Otker 
mit einem einzigen Blick, wandte sich zu Desiderius und schrie: 
„Sieh da! dort hast du den Karl, nach dem du so viel ge¬ 
fragt hast!" Und mit diesen Worten stürzte er ohnmächtig 
zu Boden. Unten in der Stadt jammerte das Volk: „O, 
das Eisen! Wehe, das Eisen!" Der König aber stieg vom 
Turme herab und suchte Tröstung im Gebet. 
In einer Nacht erstürmten die Franken die Stadt. Durch 
das Wiehern der Pferde und das Klirren der Waffen er¬ 
wachten erst die Bewohner und liefen verwirrt aus ihren 
Häusern hinaus. Viele wurden im Dunkeln zertreten oder 
erschlagen. Als die Franken in den königlichen Palast drangen, 
warf sich Adelgis ihnen entgegen und erschlug viele. Aber 
sein Vater wehrte ihm und sprach: „Es ist Gottes Wille, 
daß der Langobarden Reich vergehe." Da entfloh Adelgis in 
der allgemeinen Verwirrung aus der Stadt, während Karl 
in die Königsburg einzog und den Desiderius gefangen nahm. 
Die ganze Bürgerschaft mußte herbeikommen und dem Sieger 
den Eid der Treue schwören. Der fromme König blieb auch 
im Unglück gottergebenen Sinnes und ertrug sein schweres 
Los mit Gelassenheit, bis Gott ihn durch einen sanften Tod 
aus diesem Jammerthale zu sich rief. 
Sein Sohn Adelgis hatte diesen Duldersinn nicht geerbt, 
sondern suchte auf alle Weise Karl zu schaden. Als dieser bereits 
in Frieden Italien beherrschte und einmal in der Stadt Pavia 
Hof hielt, beschloß der verwegene Jüngling selbst dahin zu 
gehen, um zu sehen, ob noch Hoffnung sei, daß er das Reich 
wiedergewinne. Auf einem Schifflein fuhr er den Fluß hin¬ 
auf, wie ein Mann aus niederm Stande. So kam er in 
die Burg. Nur der Truchseß, ein alter treuer Diener seines 
Vaters, erkannte ihn wieder. Zu diesem sprach Adelgis: 
„Wenn heute König Karl zu Mittag speist, so weise mir 
einen Sitz am untersten Ende eines Tisches an und schaffe,
	        
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