7. Alter, Tod und Bestattung.
43
in der Regel das Schwert und das Streitroß des Vaters.
Überlebte kein Sohn den Hausvater, so siel die Erbschaft dem
nächsten Verwandten vom Mannesstamme zu.
Schön sagt Tacitus, der edle Römer, von unsern Vor¬
fahren : „Klage und Thränen um die Dahingeschiedenen stillen
sie bald, doch lange hegen sie Schmerz und Gram. Trauer
geziemt den Frauen, den Männern treue Erinnerung." Das
Stillen der Thränen hatte seine tiefe Bedeutung; uralter
Volksglaube war es nämlich, daß die Ruhe der Verstorbenen
durch allzu lange fließende Thränen gestört werde. Das
rührende Märchen vom Thränenkrüglein, das noch setzt in
verschiedenen Gegenden Deutschlands erzählt wird, bezeugt
diesen alten Glauben. Es soll den Schluß dieses Abschnittes
bilden. Einer jungen Mutter, so heißt es, war ihr ein¬
ziges Kind gestorben. Sie weinte über alle Maßen und
konnte sich über ihren Verlust nicht zufrieden geben. In
jeder Nacht lief sie hinaus auf den Friedhof und jammerte
auf dem Grabe, daß es Steine hätte erbarmen mögen, als
solle und müsse ihr die Erde das Kindlein wieder heraus¬
geben. So wehklagend weilte sie dort auch in der Nacht, da
die Göttin Berchtha, welche die Seelen der verstorbenen
Kinder behütet, mit ihrem Gefolge von Seelchen nicht weit
von ihr vorüberzog. Da gewahrte die Weinende zuletzt im
Zuge, den andern Kindern hinterdrein, ein Kleines, mit
einem ganz durchnäßten Hemdchen angethan; es trug in der
Hand einen Krug mit Wasser und konnte, matt geworden,
kaum den übrigen folgen. Ängstlich blieb es eben vor einer
hohen Umzäunung stehen, über welche die Göttin hinweg¬
geschwebt und ihre kleinen Unterthanen geklettert waren.
„Ach," dachte die jammernde Mutter, „sieht doch das Kleine
gerade aus wie mein verlorenes Kind!" Ünd sie lief hinzu
und hob es in die Höhe. Während sie es nun in ihren
Armen hielt, sprach das Kind: „Mutterarm, ach, wie warm!"
Dann aber bat es: „O liebe Mutter, weine nicht so sehr
um mich! Sieh, hier im Kruge sind deine Thränen, und
wenn du noch länger weinest, wird er gar zu schwer und
voll. Da sieh! Ich habe mir mein Hemdlein schon ganz