240 Kap. 29. § 167. Kaiser Sigismund. (Hus' reform. Streben. Bann.)
weniger auf Lehrsätzen als vielmehr auf einer gründlichen Kenntnis der
heil. Schrift, auf seinem unerschütterlichen Glauben, heiligen Ernst und
frommen, untadelhaften Wandel, womit sich ein glühender Eifer für die
sittliche Hebung des Volkes und gegen die in der That schreiend gewor¬
denen kirchlichen Mißbrauche verband. Während er in seinen Predigten
und Vorlesungen statt des Fegseuers, des Bilder- und Heiligen¬
dienstes, des Ablasses den evangelischen Heil sw eg durch Buße
und Glauben verkündigte, gelang es ihm bei dem Erzbischof Zbynek,
dessen Zutrauen er damals genoß, die Abschaffung des Wallsahrtens an
solche Orte zu erwirken, deren angebliche Wunder durch Reliquien auf Lüge
und Täuschung beruhten (wie sich aus der Untersuchung einer Kommission
ergab).
Die Lehrsätze, wegen deren Hus später angeklagt wurde, betrafen hauptsächlich das
h. Abendmahl, welches er auf die ursprüngliche Einsetzung zurückzuführen suchte,
den Ablaß für Geld, die Beichte, die Gewalt der Kirche und des Papstes, den
weltlichen Besitz des Mönchsordens. Seine res omatorische Tendenz war
die Rückkehr zum Urchristentum, und sein Beweis die Berufung auf das Wort
der Schrift, deren Ansehen er höher stellte als alle kirchliche Tradition und päpstliche
Verordnung, Grundsätze, welche allerdings mit der damaligen kirchlichen Anschauung
im offenbarsten Widerspruch standen.
Da diese neue Lehre unter den Böhmen immer mehr Anhang fand, so
setzten die deutschen Lehrer in Prag, als Verteidiger der alten Kirchen¬
lehre, durch einen Universitätsbeschluß die Verwerfung von 45 wiklesitischen
Lehrsätzen durch und verfolgten mit Hilfe des Erzbischofs Geistliche und
Laien, welche derselben anhingen. Darauf traten bie meisten böhmischen
Lehrer, barunter auch Hus, auf bie Seite ber Verfolgten unb erwirkten
ein königliches Ebikt, bas ben Deutschen ihr Stimmrecht schmälerte
unb ben königlichen Sekretär Zbenek zum Rektor ber Universität
ernannte, ein Verfahren, welches bie beutfchen Lehrer unb Stu-
b enten so sehr verletzte, baß sie sich gegenseitig verpflichteten, Prag zu
verlassen (1409).
Die Universität Prag war, wie oben (161) erwähnt worden, auf eine Eintei¬
lung der Lehrer und Schüler nach vier Nationen oder Volksstämmen Deutschlands
gegründet und darnach wurde in Universitätsangelegenheiten abgestimmt. Weil nun
die Deutschen drei Stimmen und die Böhmen nur eine hatten, so entstand in
den Böhmen ein Haß gegen die Deutschen, welche die meisten Stellen mit den ihrigen
besetzten. König Wenzel, noch in frischem Ärger Über seine Absetzung durch die
deutschen Fürsten, ließ sich durch die böhmischen Lehrer leicht bewegen, den deutschen
Lehrern ihre bisherigen drei Stimmen zu nehmen und sie den Böhmen zu geben. Der
Abzug der Deutschen (es waren Über 5000) von Prag veranlaßte die Gründung
der Universität Leipzig.
Da sich nun bie römische Partei ber böhmischen Geistlichkeit burch ben
wachsenden Anhang Hus' in ihrer Stellung bedroht sah, so klagte sie ihn
als Haupturheber ber wiklesitischen Ketzerei beim Papste Alexander V
an, ber burch ben Erzbischof alle wiklesitischen Schriften verbrennen unb
Hus bas Prebigen untersagen ließ. Da er nicht gehorchte, folgte seine
unb seiner Freunbe Exkommunikation (1410). Nachdem Alexander V ge¬
storben war, ließ der neue Papst Johann XXIII Hus nach Rom vor¬
laden. Auf Fürsprache der Universität und auf Wenzels Protest jedoch
sollte seine Sache von neuem, und zwar in Böhmen, untersucht und ent¬
schieden werden.
Als bald daraus Papst Johann gegen den König von Neapel einen