280 Kap. 32. § 185. Ursachen u. Veranlassung d. Reformation. Doct. Martin Luther.
Pacht genommen war, so wie durch die unverantwortliche Art, wie
vorzüglich der Dominikaner Johann Tetzel, einer von den zum Abla߬
verkauf aufgestellten Ordensgeistlichen, dieses Geschäft in Sachsen betrieb.
Doch wird gesagt, der Bau der Peterskirche sei nur der scheinbare Grund
gewesen, der wahre aber der, daß der Papst seine Schwester Margaretha
aufs glänzendste habe aussteuern wollen.
Die Ablaßbulle Leos vom 13. September 1517 gab unter der Bedingung „reu¬
mütiger Beichte" und andächtigen Kirchenbesuchs für die zum gedachten Bau bestimmten
Opfer „den vollkommensten Erlaß aller Sünden", namentlich in Bezug auf Simonie,
Wucher, unerlaubte Ehen, Meineid, Mord ic. Und Tetzel, auf solche Autorität ge¬
stützt und auf des Papstes, wie des Erzbifchofs und feinen eigenen Vorteil gleich be¬
dacht, betrieb diesen Ablaß als förmlichen Handel und verfuhr (obgleich die ihm er¬
teilte Instruktion von den Ablaßnehmern „Buße und Reue" verlangte) dabei so ge¬
wissenlos, daß die Leute wähnten, Gnade und ewiges Leben für Geld erkaufen zu
können. Auch von Wittenberg aus liefen die Leute scharenweise nach Jüterbogk (wo
Tetzel mit großem Gepränge sein Wesen trieb), um sich dort Ablaß zu holen, den sie
in den Beichtstühlen ernsterer Priester nicht so leicht erhalten konnten. Als einst der
Zulauf nachzulassen schien, drohte Tetzel (wie Myconius als Augenzeuge erzählt), „er
werde nunmehr bald das aufgerichtete Ablaßkreuz wieder niederlegen und die bis daher
offen gestandenen Pforten des Himmels wieder zuschließen, mit dem Beifügen, daß es
künftig niemals wieder geschehen werde, daß das ewige Leben und die Vergebung der
Sünden um so geringen Preis zu erhalten sein würde; so sei auch keine Hoffnung,
daß jemals, so lange die Welt stehe, eine so große Freigebigkeit des römischen Stuhles
den deutschen Landen wieder zu teil werde".
Die Empörung über den Tetzelschen Unfug ergriff alle Bessern jener
Zeit; doch zum Handeln fühlte sich der Glaubensmut nur eines Mannes
gedrungen, der, ohne es anfangs zu wollen, in der Hand der göttlichen
Vorsehung bald das Werkzeug zur Abschaffung der schreiendsten kirchlichen
Mißbräuche werden sollte.
Dr Marlin Luther, geb. den 10. November 1483 zu Eisleben, wo sein
Vater (ein armer, rechtschaffener Bergmann aus dem thüringischen Dorfe Möhra) und
feine gottesfürchtige Mutter damals sich aufhielten, wuchs unter strenger häuslicher
Zucht auf. Er besuchte zuerst die Schule zu Mansfeld, wohin seine Eltern gezogen
waren, nachher die Klosterschule zu Magdeburg und fand sodann als armer Cur-
rendschüler zu Eisenach bei wohlthätigen Leuten (z. B. der Frau Cotta) Unterstützung.
Hierauf ließ ihn fein Vater 1501 die hohe Schule zu Erfurt beziehen, wo er an¬
fangs die scholastische Philosophie studierte. Obgleich das scholastische Formel¬
wesen ihn nicht befriedigte, so brachte er es doch durch seinen Fleiß dahin, daß er
1505 Magister der freien Künste wurde und mit Beifall Vorlesungen über Ari¬
stoteles hielt.
Nach dem Willen seines Vaters sollte er nun zum Studium der Rechtswissenschaft
übergehen, aber dazu fühlte er keinen Berus. Vielmehr erweckte das Auffinden einer
Bibel in der Erfurter Bibliothek die Sehnsucht nach dem geistlichen Stande in ihm.
Er geriet daher in große innere Kämpfe, so daß er in eine Krankheit verfiel und
dem Tode nahe war. Nach seiner Genesung traf es sich, daß einmal der Blitz dicht
neben ihm einschlug. Da kam dem um seine Seligkeit Besorgten der Gedanke, wie er
habe vor Gott bestehen sollen, wenn dieser ihn plötzlich abberufen habe. In dieser
Sorge um sein Seelenheil beschloß er, der Welt zu entsagen, die ihm keine Beruhigung
gewähren könne und trat (wider den Willen seines Vaters) als Mönch in das Augustiner¬
kloster zu Erfurt ein, um durch Fasten und Beten seine Seligkeit zu schaffen. Aber
auch die ängstlich gewissenhafteste Beobachtung aller kirchlichen Gesetzeswerke konnte ihm
den Frieden nicht geben, so daß er nahe daran war, sich geistig und leiblich aufzureiben.
Erst als ein alter Klosterbruder ihn mitleidig an die Worte des apostolischen Glaubens:
„Ich glaube an die Vergebung der Sünden" erinnerte, fiel der erste Dämmerstrahl des
göttlichen Lichtes in feine Seele, und die aufrichtenden Belehrungen feines ehrwürdigen
Vorgesetzten, des Generalvikars des Augustinerordens in Deutschland, Johann von
Staupitz, der ihm ein Exemplar der Hl. Schrift schenkte, brachten ihn dem Troste