Full text: Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang

356 Kap. 38. § 228. Beginn des dreißigjährigen Krieges. 
die Auswanderung auferlegt (wozu ihn freilich ein Artikel des Augsburger 
Religionsfriedens berechtigte). In kurzer Zeit wurde in allen drei Ländern 
keine protestantische Predigt mehr vernommen. 
Ferdinand handelte dabei ganz nach seiner innersten, ihm von den Jesuiten von 
seiner Kindheit an beigebrachten Überzeugung von der Heilsamkeit seines Verfahrens. 
Er äußerte selbst, daß er diese harten Maßregeln nur aus Liebe zu den Irrenden er¬ 
greife, denen er willig sein Leben opfern würde, wenn er wüßte, daß er sie durch seinen 
Tod auf den rechten Glaubensweg bringen könnte. Die Jesuitenprediger selbst aber 
boten ihre ganze Beredsamkeit auf, um die Katholiken gegen die Protestanten zur Wut 
zu erhitzen, die denn auch von den letzteren nicht unerwidert blieb, so daß beide Parteien 
sich als Todfeinde haßten. 
Die protestantischen Stände in Böhmen, welche von Ferdinand ein glei¬ 
ches Verfahren gegen ihre Religionsfreiheit besorgten, suchten daher dessen 
Wahl zum böhmischen König zu hintertreiben; nichts desto weniger wurde 
Ferdinand (1617) gewählt und gekrönt; doch beschwur er dabei 
ihre Religionsfreiheiten. 
Während Matthias nach Ungarn ging, um auch dort Ferdinands Königs¬ 
wahl zu betreiben, und Böhmen unterdessen durch eine kaiserliche Statt¬ 
halterschaft (von 7 katholischen und 3 protestantischen Mitgliedern) verwaltet 
wurde, ereignete sich jener beklagenswerte Vorfall, welcher die nächste Ver¬ 
anlassung zu einem Deutschland bis in sein tiefstes Inneres zerreißenden 
Religions- und Bürgerkriege wurde. 
Kap. 38. Der dreißigjährige Krieg. 
1618 — 1648. 
(Histor. Atlas, Tafel XIII.) 
Erste Periode: Der böhmische Krieg. 
228. Die in das Jahr 1617 fallende Feier des Resormations-Ju- 
biläums hatte besonders in Böhmen die Spannung der Religionsparteien 
ungemein erhöht: die planmäßige Bedrückung und Verfolgung der Prote¬ 
stanten in den österreichischen Ländern, die auffallende Begünstigung der 
Jesuiten, welche dabei als Anstifter und Werkzeuge dienten, die Entsetzung 
des einflußreichen Grafen Matthias von Thurn von dem Burggrafen¬ 
amte, gemäß dessen er die Insignien und Urkunden der Krone zu bewahren 
hatte, und die Aufnahme zweier den böhmischen Protestanten besonders 
verhaßten Männer in die Zahl der zehn Statthalter, der Grafen Mar¬ 
tin itz und Slawata (denen das Gerücht Schuld gab, sie hätten ihre 
Untertanen mit Gewalt in die Messe treiben lassen), hatte die ohnedies 
mistrauischen Gemüter der Protestanten noch mehr gereizt, so daß es nur 
eines näheren Anlasses bedurfte, um den verhaltenen Zorn zum Ausbruch 
zu bringen. Die in Rudolfs Majestätsbriefe den Protestanten in Böhmen 
gewährte Religionsfreiheit schloß zwar die Erlaubnis in sich, protestantische 
Kirchen und Schulen zu errichten; doch war in diesem Brief nur dem 
Herrn- und Ritterstand und den königlichen Städten freie Reli¬ 
gionsübung zugestanden, von den evangelischen Untertanen geistlicher 
Stände jedoch nichts gesagt. Die Protestanten aber erklärten, daß die 
Geistlichkeit in Böhmen keinen besonderen Stand bilde, und daß die Güter 
der Kirche den königlichen Besitzungen gleich geachtet würden. Sie fingen
	        
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