470 Kap. 47. § 280. Fall der preußischen Festungen. Continentalsperre.
Flucht der hohenloheschen Armee gestattete dies nicht. Daher begab sich der König
nach Magdeburg, um den Rest seines Heeres zu sammeln und durch Heranziehung
der bei Halle stehenden Reserve Berlin zu decken. Allein Prinz Eugen von Würt¬
temberg blieb in unbegreiflicher Sicherheit bei Halle stehen und ward geschlagen. Nicht
besser ging es den übrigen Heeresabteilungen jenseits der Elbe und Oder: die
eine unter Hohenlohe ergab sich bei Prenzlau (an der Mer) ohne Schwertschlag,
zwei andere bei Andorn und Pasewalk. Denn überall schlug der Übermut, der
sich in vielen preußischen Führern gezeigt hatte, in Kleinmut und Ratlosigkeit um. Nur
Blücher (damals bereits 60 Jahre alt) verlor den Mut nicht und schlug sich mit
20,000 Mann nach Lübeck durch.
Hierauf ergaben sich die meisten preußischen Festungen, wie Erfurt,
Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg, Hameln, Nienburg rc.,
welche «reist von unfähigen Führern aus der alten Schule befehligt wurden,
großenteils fast ohne Widerstand. Nur die Festung Colberg, wo Major
Gneisenau, von dem in Streifzügen unermüdlichen Dragonerlieutenant
Schill und von dem Bürgermeister Nettelbeck unterstützt, kommandirte,
verteidigte sich auf das heldenmütigste. Auch Graudenz hielt sich bis zum
Frieden, Thorn und Danzig einige Zeit. Blücher kämpfte in Lübeck,
wenn auch hoffnungslos, mit der größten Tapferkeit, zog aber dadurch der
Stadt (nach ihrer Erstürmung durch Bernadotte) die barbarische Mis-
handlung der siegestrunkenen Franzosen zu.
Als Napoleon mit Sachsen Frieden gemacht hatte, ließ er seinen Bruder
Jeröme und Vandamme in Schlesien einrücken, wo sich die Festungen
mit etwas mehr Ausdauer, ja einige mit rühmlicher Hartnäckigkeit vertei¬
digten. So fiel Glogau erst nach dreiwöchentlicher Verteidigung; noch
länger hielt sich Brieg; Breslau wurde von den feigen Offizieren zum
Verdrusse der Gemeinen übergeben; das mächtige Schweidnitz ergab sich
schon nach fünf Tagen; am ehrenhaftesten und längsten verteidigten sich
Neisse, Cosel und Glatz. Die beiden letzteren und die Felsenfeste Silber¬
berg kamen nicht in feindliche Hände.
Schon am 24. Oktober hatte Napoleon dnrch Davoust Berlin besetzen
lassen und hielt seinen Einzug in der preußischen Hauptstadt am 27. Nov.
durch das Brandenburger Tor, von welchem er die Ehrenzierde der Stadt,
die Viktoria mit dem Viergespann, wegnehmen ließ. Sie wurde nebst
dem in Potsdam ausbewahrten Degen Friedrichs des Großen und anderen
Reliquien dieses Königs nach Paris gebracht. Hierauf mußte die Stadt
dritthalb Millionen Taler Contribution erlegen, und alles eroberte preußische
Land wurde in vier französische Departements verwandelt. Der Herzog von
Braunschweig, der unglückliche Feldherr von Auerstädt, und der Kur¬
fürst von Hessen, der neutral geblieben war, wurden ihrer Länder be¬
raubt, das Kurfürstentum Sachsen aber, weil es nach der Schlacht bei
Jena Frieden geschlossen hatte, zum Königreich erhoben. Es trat mit
den sächsischen Herzogen, mit Mecklenburg und Oldenburg dem
Rheinbünde bei. Von Berlin aus ließ Napoleon am 21. Nov. 1806 den
Befehl der Continentalsperre ausgehen, wonach Englands Handel auf keinem
Teile des europäischen Festlandes zugelassen werden sollte und alle vorhan¬
denen englischen Waren verbrannt werden mußten. Dadurch wurde den
Engländern großer Schaden zugefügt, kein geringerer aber dem Handel auf
dem Eontinent.
Während ein Teil der französischen Armee in Norddeutschland stand.