Full text: Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang

74 Kap. 15. § 75. Karl Martell. Das SBeftgotenrdcfj in Spanien. 
Grossen und durch die aus allen diesen Uebeln hervorgegangenen steten Thronum¬ 
wälzungen und Bürgerkriege längst in innerer Auflösung begriffen 
vergeblich suchte der vorletzte König Witiza durch ernste Reformversuche zu 
helfen: er wurde vom Adel und der Geistlichkeit verjagt und ber Thron 710 dem 
schmiegsamen Roderich Uberlassen. Gegen diesen bilvete sich durch die beiden Söhne 
des gestürmten Königs eine Verschwörung, an der auch der von Roderich schwer be¬ 
leidigte Graf Julian, der bis dahin treue und heldenmütige Verteidiger der den 
Westgoten gehörigen afrikanischen Festung Ceuta, teilnahm: er übergab diesen Schlüssel 
Spaniens dem arabischen Statthalter von Afrika, Müsa, und machte dadurch die 
Araber zu Herren der Meerenge. Diese landeten unter Musa's Felvherrn Tarik am 
Vorgebirge Calpe, (das von ihm den Namen Dschebel al Tarik. Berg des Tarik 
>711 J?°*ai?§v.i)er ^amc Gibraltar entstand), schlugen in einer siebentägigen 
«11 Schlacht bet Xeres de la Frontera den König Roderich, welcher selbst fiel, und 
machten durch die Einnahme der Hauptstadt Toledo dem westgotischen Reiche 
ein Ende. Eine Menge Goten wurden in die Sklaverei nach Afrika geschleppt- der 
Rest derselben flüchtete in die Gebirge von Galicien, Asturien 'und 
Bisca y a. 
Aber selbst die Pyrenäen schienen den siegenden Arabern keine Grenze 
setzen zu können: schon waren sie durch die baskischen Paffe in Aquitanien 
eingefallen und nach der Besiegung des aquitanischen Herzogs in's Herz von 
Frankreich bis an die Loire vorgedrungen, um alles dem Islam zu unter¬ 
werfen: da stellte sich ihnen die fränkische Macht entgegen, und an der Spitze 
seiner hochstämmigen Austrasier, sowie der Türingen, Alemannen und Baiern 
732 schlug Karl PlnrtcU die Araber zwischen Tours und Poitiers in einer sie¬ 
bentägigen Schlacht und rettete dadurch europäische Volkstüm¬ 
lichkeit und christliche Religion und Bildung. Zwar fielen sie 
zwei Jahre darauf bei Gelegenheit eines Aufstandes der Burgunden wieder 
in Frankreich ein, wurden aber von Karl Martell durch einen Sieg 
bei Narbonne abermals zurückgetrieben und behielten nur noch das Ge¬ 
biet zwischen den Pyrenäen und dem Fluße Aude. 
Im Jahre 756 bildete sich in Spanien durch den Omaijadensprößling Abderah- 
man, der sich allein aus dem völligen Untergänge seines Geschlechtes in Damaskus 
750 gerettet und hierher geflüchtet hatte, das maurische Emirat Cordöva, gegen 
welches die spanischen und französischen Christen viele Jahrhunderte lang in schweren 
Kämpfen lagen, bis es nach und nach den in der Halbinsel wieder neu sich gründenden 
christlichen Reichen wich und der letzte Rest desselben erst im Jahre 1492 vollends ver¬ 
nichtet wurde. 
^ Nachdem Karl Martell die vier letzten Jahre seines Lebens (nach dem 
Tode Theodorich's IV) den Thron unbesetzt gelassen und 734 noch Fries- 
Islnd völlig unterworfen hatte, teilte er seine Macht unter seine beiden 
Söhne Karlmann und Pippin, von welchen jener Austrasien, dieser Neu¬ 
strien bekam. Da aber ihr Stiefbruder Grippo (aus einer zweiten Ehe 
mit der baierischen Prinzessin Sonnichild) ebenfalls Ansprüche auf einen 
Teil des väterlichen Erbes machte und die auf der rechten Seite des Rheins 
liegenden deutschen Länder (inbesondere Baiern nach Herzog Odilo's Tode 
748) vom Frankenreich losreißen wollte, erhoben jene beiden Brüder wieder 
einen Merowingen, Childerich III, auf den Thron und unterwarfen die 
empörten Völker. Karlmann aber, der Kriege müde, zog sich in ein 
Kloster unweit Rom (das nachmals so berühmte Benedictinerkloster Monte- 
Cassino) zurück und überließ die Reichsverwaltung seinem tatkräftigen 
Bruder Pippin, welcher den Beinamen der Kleine oder Kurze führte und 
der Stifter einer neuen Dynastie zu werden bestimmt war. Er regierte von 
752—768.
	        
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