Full text: Der biographische Unterricht (Unterrichtsstufe 1)

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und hielten einen Rach. Da dauerte es denn bisweilen sehr lange, ehe sie sich 
für den einen oder den andern entscheiden konnten. Jetzt war die Wahl um so 
schwieriger, weil man in der That nicht wusste, wen man wählen sollte. Endlich 
fiel man auf den Grafen Rudolf von Habsburg. Er besaß bedeutende Güter in 
der Schweiz. Diese Besitzungen waren zwar viel geringer, als die der übrigen 
deutschen Fürsten; allein Rudolf war wegen seiner Tapferkeit, Gerechtigkeit und 
Frömmigkeit allgemein geehrt. Einst begegnete ihm auf der Jagd ein Priester, 
der zu einem Kranken ging. Das Wetter und die Wege waren schlecht. Rudolf 
stieg von seinem Pferde und gab es dem Geistlichen. Als er die Kunde von 
seiner Kaiserwahl vernahm, begab er sich zur Krönung nach Aachen (im Jahre 
1273). Zufällig war das Scepter, welches bei der Krönung dem Kaiser in 
der Kirche überreicht wird, vergessen worden. Schnell ergriff Rudolf das Krucifix 
vom Altare und sagte: „Dieses Kreuz, in welchem wir und die Welt erlöset sind, 
wird ja wohl die Stelle eines Scepters vertreten können." Nachdem der Papst 
die Wahl des Kaisers bestätigt hatte, trat Rudolf seine segensreiche Regierung an. 
§. 47. Rudolfs Regierung. Rudolf hatte sich zum Ziele gesetzt, das 
Anfehn Deutschlands wieder herzustellen. Daher wollte er von Italien gar 
nichts wissen. Er sagte, wie in der Fabel der Fuchs vor der Höhle des Löwen: 
„er sehe wohl Fußtapfen derer, die glücklich in Italien hineingekommen, aber nicht 
derer, die wohlbehalten wiedergekehrt." Da die deutschen Fürsten sehr übermüthig 
waren, so musste Rudolf zunächst durch eigene Kraft sich Ansehn zu verschaffen 
suchen. Er überzog den mächtigsten deutschen Reichsfürsten, Ottokar von Böhmen, 
mit Krieg. Dieser weigerte sich nämlich, Rudolf als Kaiser anzuerkennen, und 
beharrte, so sehr man ihn auch warnte, in seinem Trotze. Vom Elsass ging nun 
der Kaiser mit einem kleinen Heere den Rhein hinunter. Unterwegs fragte ihn 
der Herr von Klingen: „Herr, wer soll denn jetzt euren Schatz bewahren?" 
Rudolf antwortete: „Ich habe feinen Schatz und kein Geld als diese fünf Schil¬ 
linge; aber der Herr, der immer geholfen hat, wird auch jetzt für mich sorgen/' 
Wirklich half auch der Herr. Denn Rudolf wurde vom König von Ungarn, vom 
Herzog von Baiern und andern Fürsten unterstützt, und so zog er durch Batern 
in Österreich hinein. Als Ottokar die Übermacht seines Gegners sah, wünschte 
er einen Vergleich, der ihm auch bewilligt wurde. Er musste Österreich, Steier¬ 
mark, Kärnthen und andre Landestheile an den Kaiser abtreten. Allein bald 
schmerzte ihn der Verlust, und er versuchte den Kampf noch einmal. Rudolf focht 
bei Wien auf dem Marchfelde so tapfer, dass Ottokar fein Leben verlor (1278). 
Nun brachte der Kaiser die großen Länder des gefallenen Königs an fein Haus. 
Es waren indessen noch manche andre Fürsten gegen den Kaiser widerspenstig, 
besonders der wilde und kriegslustige Graf Eberhard von Würtemberg. Sie 
wurden alle zuruhe gebracht. Den meisten Ruhm erwarb sich Rudolf dadurch, 
dass er mit großer Gerechtigkeit die Ordnung in Deutschland herstellte. Er machte 
durch das ganze Land Reisen, gestattete einem jeden Zutritt und saß oft selbst 
zu Gericht. Er setzte fest, dass die Fürsten sich nicht mehr unter einander be¬ 
kämpfen sollten, zerstörte viele Raubschlöffer und ließ die Raubritter hinrichten. 
Gegen alle diejenigen, welche ihn persönlich beleidigt hatten, verfuhr er sehr mild. 
Es gibt manche schöne Erzählung aus seinem Leben, die uns dies recht deutlich 
zeigt. Rudolf hatte eine hohe Gestalt, war im Genuss der Speisen sehr mäßig 
und theilte im Kriege alles mit seinen Soldaten. Als er merkte, dass seine Kräfte 
abnahmen, rief er: „Wohlan nach Speier!" (Die Begräbnisstätte der Kaiser.) 
Er starb zu Germersheim 1291. Sehr schöne Worte sagt ein Zeitgenosse Ru¬ 
dolfs über ihn: „Dieser König ist rechtgläubig, ein Verehrer der Kirche, ein
	        
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