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Musterungsreisen durch die Provinzen erkundigte er sich nach allem sorgfältig und
traf zweckmäßige Verbesserungen; daher machten Ackerbau und Gewerbe sehr schnelle
Fortschritte. Auch um die Verbesserung des Schulwesens bekümmerte sich der
König. Später wurde er noch in unbedeutende Kriege verwickelt, die wir über¬
gehen. Neben seiner großen Sorge für den Staat unterhielt er einen steten
Briefwechsel mit den Gelehrten seiner Zeit, schrieb die Geschichte seines Lebens
und beschäftigte sich mit der Dichtkunst. „Ich habe zwar nur schwache Talente
dazu," sagte er, „aber da ich bloß zum Zeitvertreib Papier verderbe, so kann es
dem Publikum einerlei sein, ob ich Whist spiele oder mit Reimen kämpfe."
Friedrich starb 1786 am 17. August.
Der erste deutsche Kaiser.
§. 86. Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Es wird später von Frankreich erzählt werden, dass es daselbst einen mächtigen
Kaiser Napoleon I. gegeben hat, der ein gewaltiger Kriegsheld war und alle
Länder Europa's unter seine Herrschaft zu bringen trachtete. Es wird auch
erzählt werden, dass er außer andern Ländern unser liebes Deutschland unter¬
jochte, dass dasselbe aber unter Führung des preußischen Königs Friedrich Wil¬
helm's III. dieses Joch abschüttelte, indem die deutschen und andere Kriegsheere
die Franzosen aus Deutschland hinauswarfen, dann in Frankreich eindrangen,
nach glänzenden Siegen Paris einnahmen und den großen Kaiser zur Abdankung
nöthigten, worauf derselbe nach der Insel St. Helena verbannt wurde und ein¬
sam und verlassen starb. Alle diese Ereignisse fallen in die Zeit von 1805 bis
1815. Seitdem bestand Deutschland aus dreißig und mehr Staaten, von denen
jeder seine eigene Regierung hatte, die aber durch eine gemeinsame Einrichtung
zu einem Ganzen zusammengehalten sein sollten, welche man den deutschen
Bundestag nannte. Diese Einrichtung erhielt sich fünfzig Jahre, obwohl durch
sie wenig für die Einigung Deutschlands geschah. Daher gab es öfters Klagen
über die Zustände im deutschen Reich. Als nun im Jahre 1848 in Frankreich
eine Revolution ausbrach, die iu den benachbarten Ländern allerlei Veränderungen
zur Folge hatte, war man auch in Deutschland bemüht, neue Einrichtungen zu
machen. Man verlangte größere Freiheit und ein einiges, kräftiges Deutsch¬
land. In Wien und Berlin kam es zu blutigen Revolutionskämpfen; man
erstrebte neben den'„Fürstenhäusern" auch „Volkshäuser" in den einzelnen Staaten,
und statt des Bundestages in Frankfurt a. M. sollte eine deutsche National-Ver-
sammlung dem deutschen Reiche eine neue Verfassung geben. Die Versammlung
wählte den König von Preußen Friedrich Wilhelm IV. (Friedrich Wil¬
helm III. war 1840 gestorben) zum Reichsoberhaupt. Dieser nahm die Kaiser¬
krone nicht an, weil ihm dieselbe nicht auch von den deutschen Fürsten angetragen
wurde. Er meinte, nur aus dem freien Willen der deutschen Fürsten^ und Völker
könne die Einigung Deutschlands hervorgehen. Darüber wurden die deutschen
Völker unwillig, und es entstanden in mehreren Ländern revolutionäre Bewegungen,
welche mit Waffengewalt unterdrückt werden mussten. Friedrich Wilhelm IV.
war aus jede Weise bemüht, dennoch eine Einigung herbeizuführen. Seine Be¬
strebungen fanden aber Widerspruch, und schließlich wurde der alte Bundestag
wieder hergestellt. Vielleicht waren diese traurigen Erfahrungen die Ursache, dass
des Königs edler Geist von schwerer Krankheit heimgesucht wurde und seinem
Bruder Wilhelm als Prinz-Regenten die Regierung in Preußen übertragen
werden musste (1858). Das vielbewegte Leben Friedrich Wilhelm's IV. endete
am 2. Januar 1861. Sein Bruder Wilhelm wurde nun König von Preußen.