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Bewunderung, die man ihm, dem „großen" Könige,
m Deutschland zollte, war das verderblich. Viele andre solalen
einem Beispiele und warfen sich der sogenannten Auf¬
klärung, d.h. dem Unglauben in die Arme. Mit dem Glauben
aber schwand auch Zucht und Sitte. Friedrich beklagte das am
Ende fernes Lebens selbst schmerzlich und meinte, er wollte viel darum
geben, konnte er das Land so hinterlassen, wie er es von seinem frommen
Vater überkommen habe.
Vereinsamt und von Schmerzen gequält verbrachte er die letzten
Jahre jetnes Lebens. Der nahende Tod schreckte ihn nicht. „Der Mensch
muß nicht ewig leben wollenwar seine Meinung. Und ahnungsvoll
sprach er, den -Uns zur Sonne gewendet: „Bald werde ich dir nahe sein'"
5u3uft i786 ltarb der „alte Fritz"; die Kunde von seinem Tode
erschütterte ganz Europa.
III.
Kaiser Joseph IT.
1. Friedrichs des Großen Vorbild blieb nicht ohne Einfluß auf die
übrigen Fürsten; einer der größten Verehrer und Bewunderer
*t0&n war Joseph, der Sohn der Kaiserin
^ Theresia. Er nannte Friedrich den größten König und Feld¬
herrn und ^ nahm ihn sich in allen Stücken zum Muster. Wenige Jahre
nach dem Hubertusburger Frieden suchte er den einst so furchtbaren Geg-
ner persönlich mif. Friedrich begrüßte ihn mit den Worten: „Das ist
ber glücklichste Tag meines Lebens," und Joseph erwiderte: „Nun sind
alle meine Wünsche erfüllt." Und als der König ihm, seinem kaiserlichen
Gaste, den Vortritt lasien wollte, sagte er mit liebenswürdiger Bescheiden¬
heit: „Das Alter geht vor; der Sohn muß sich nie über die Verdienste
seines Vaters erheben wollen." In bestem Einvernehmen und in herzlicher
Freundschaft schieden die beiden Fürsten von einander.
2. Im Jahre 1765 folgte Joseph seinem Vater Franz I. als
deutscher Kaiser; als Joseph II. hat er bis zum Jahre 1790
regiert. Das deutsche Reich befand sich freilich damals in
tr cturtgem, der Auflösung nahen Zustande. „Es gab noch einen
Kaiser, aber er hatte nur den Namen, keine Macht und kein Ansehen mehr;
die großen unb kleinen Herren herrschten ganz selbständig in ihren Gebieten \
sie stauben zusammen ober gegen einanber, wie sie wollten; sie hielten zu
Deutscklanb ober zum Auslaub, wie sie wollten. Es gab noch einen
Reichstag zu Regensburg, aber kein Fürst besuchte ihn mehr, unb bie Ge-
sanbten stritten unb belustigten sich mit einanber. Es gab noch ein Reichs¬
kammergericht zu Wetzlar, aber es war lahm an allen ©liebern; Prozesse,
bort angebracht, würben wohl erst nach 50 ober 100 Jahren entschieben'
C8 gab noch, falls ber Reichstag die Führung eines Reichskriegs beschlos¬
sen batte, eine deutsche Reichsarmee; aber sie war aus ben Kontingenten
ber einzelnen Reichsstände bunt zusammengewürfelt, bestanb vorwiegend
aus Invaliden unb Taugenichtsen unb war, namentlich seit ber Schmach,